Das Werk des Teufels
- Goldmann
- Erschienen: Juni 2023
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Zeug zum Genre-Klassiker
1265-1271: Im Auftrag des Papstes marschiert Charles d'Anjou, Bruder Louis' IX. von Frankreich, in Süditalien ein, um den Stauferkönig Manfred vom Thron Siziliens zu stoßen. Der Inquisitor Yves le Breton steht ihm als Berater und Geheimagent zu Diensten. Als Yves zufällig von einem Buch erfährt, das angeblich den Weg zum unbesiegbar machenden "Schatz des Teufels" weist, geht er der Sache nach - und sieht sich ausgerechnet seinem alten Kontrahenten Umberto di Fondi gegenüber, der den Widerstand gegen die Invasion organisiert. Die Loyalität des örtlichen Adels ist schwankend, Verlass ist vorrangig auf die Sarazenenkolonie in Lucera, der im Falle von Charles' Sieg die Auslöschung durch die Inquisition droht. Während das Königreich in Blut und Chaos versinkt wird klar, dass das Buch nur eine erste Spur ist und das wahre Geheimnis in den Ruinen des antiken Karthago ruht...
Alte Bekannte
Fünfzehn Jahre sind seit den Ereignissen aus DersiebteKreuzzug vergangen, ein ungewöhnlich großer Zeitsprung. Der erste Band wird aber als bekannt vorausgesetzt. Der Spagat, die Charaktere wiedererkennbar zu machen und doch eine Entwicklung zu zeigen, gelingt dem Autor bemerkenswert gut. Yves würde es weit von sich weisen, mit dem Alter milder geworden zu sein, zumindest aber ist er abgeklärter. Den Enthusiasmus, mit dem sich sein Schüler Berengario dem Foltern und Verbrennen widmet, sieht er mit sehr gemischten Gefühlen. Umberto dagegen wirkt tatsächlich humaner, nicht weil er inzwischen Skrupel vor dem Töten hätte, sondern weil seine frühe Ahnung der Niederlage und Neues über seine Vergangenheit ihm eine melancholische Aura verleihen.
Bezogen auf einzelne Personen vermeidet der Autor weiterhin Schwarzweißmalerei, die Sympathien im Krieg liegen aber klar auf Seiten der Angegriffenen. Das ist hier noch deutlicher als im Vorgängerband, wo der Kreuzzug, alles in allem, nur die (allerdings große) Kulisse für die Jagd der verschiedenen Protagonisten nach dem geheimnisvollen Schriftstück abgab. Diesmal hat sich die Gewichtung verschoben auf die beiden Untergänge - des multireligiösen Stauferreichs und Karthagos in den langen Rückblenden in die Antike. Yves' Suche nach dem "Schatz des Teufels" wird erst in der zweiten Hälfte zum Hauptthema. Obwohl der Autor bei Situationen und Figurenkonstellationen eine Spur zu dreist sich selbst kopiert, setzt er gekonnt eine neue Form der Spannungserzeugung ein, den suspense à la Hitchcock: Die Leser wissen diesmal von Anfang an mehr als die Figuren, es geht um nichts weniger als die Entdeckung Amerikas durch die Karthager (historisch unbewiesen, aber nicht völlig abwegig).
Übersetzung mit KI?
Im Vergleich zum ersten Band ist die Handlung weniger überladen, erfordert aber immer noch Konzentration und historische Vorkenntnisse, zumal es diesmal weder Karten noch ein Glossar gibt. Die Übersetzung des Vorgängers war schlecht, diese ist schlechter. Manchmal lässt sich der Sinn nicht einmal mehr aus dem Kontext schließen, einmal muss mit "Hermesstab" (lat. caduceus, italien. caduceo) ein antiker Straßenschuh (calceus, italien. calceo) gemeint sein. Die Wörter kann man verwechseln, aber dass dabei inhaltlich kompletter, mit Verlaub, Unsinn herauskommt, hätte ruhig jemandem auffallen können. Zudem beruht die deutsche Version zumindest teilweise gar nicht auf dem italienischen Originaltext, sondern auf einer offenbar von KI erstellten englischen Fassung. Wenn jemand eine andere Erklärung dafür hat, wie aus dem römischen Gott Dis Pater, italienisch Padre Dite, "Vater Say" werden konnte - bitte, unten ist eine Kommentarspalte. Dass bei dieser digitalen "Stillen Post" überhaupt noch korrekte Sätze übrigbleiben, ist erstaunlich.
Jenseits der Kategorien
Warum lohnt es trotzdem, sich die Mühe zu machen und über sinnfrei Übersetztes hinwegzulesen?
Aus zwei Gründen: Yves und Umberto. Die Beiden faszinieren, weil sie sich den traditionellen Kategorien von "Held" und "Schurke" ebenso entziehen wie dem heutzutage etwas inflationär verwendeten "Antiheld". Sie sind keineswegs Identifikationsfiguren - aber nach dem zweiten Band will man wissen, wie es mit ihnen weitergeht.
Fazit
Die Handlung kommt nicht ohne triviale Elemente aus. Aber wenn es ein Merkmal der Hochliteratur ist, unverwechselbare, plausible Charaktere zu erschaffen, dann sind diese Romane hohe Literatur und haben das Zeug zu Genre-Klassikern.
Luigi Panella, Goldmann
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