Das Orakel der Heilerin

  • Page & Turner
  • Erschienen: Januar 2007
  • 9
  • Page & Turner, 2006, Titel: 'L'Oracle della Luna', Originalausgabe
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Katharina Lewald
891001

Histo-Couch Rezension vonAug 2007

Packend, lehrreich und exotisch!

Schaut man sich heutzutage die Nachrichten im Fernsehen kann, überkommt einen oftmals das kalte Grauen: Mord, Todschlag, Krieg und Terror überall auf der Welt, Flutkatastrophen, eingestürzte Brücken, entführte Mitmenschen und Familiendramen. Während der Eine alles an sich vorüberziehen lässt und kaum noch Anteil nimmt ob der Informations- und Bilderflut, macht der Andere sich Gedanken über einige der fundamentalsten Fragen des Lebens. Wonach strebt der Mensch? Was ist der Sinn unseres Daseins? Welche Rolle spielen Religion und Glauben wirklich in unserer heutigen Zivilisation?

Die Lebensgeschichte eines Mannes

Giovanni Tratore wird in Kalabrien als Bauernsohn geboren. Bald schon macht er jedoch eine Erfahrung, wie sie prägender nicht sein könnte: Er nährt sich einem wunderschönen adligen Mädchen und wird - obwohl er nichts weiter getan hat, als sie nur anzuschauen - zu 20 Peitschenhieben auf den Rücken verurteilt. Er lässt die Strafe über sich ergehen und fasst einen Entschluss: Er muss dieses Mädchen wiedersehen!

Bald darauf macht der junge Mann sich auf in die Ferne und gerät an einen Greis, der allein mit seinem Diener im Wald lebt. Giovanni erfährt, dass es sich hierbei um den größten Astrologen der Christenheit handelt und geht bei ihm in die Lehre. Er möchte der venezianischen Schönheit namens Elena schließlich nicht als ungehobelter Bauernlümmel unter die Augen treten! Außerdem wusste Giovanni schon immer, dass er anders war als die anderen Jungen, andere Träume hatte als die Anderen. Er möchte viel lieber in die Welt hinausziehen, lernen, Zusammenhänge begreifen und ferne Länder bereisen, als ein Mädchen aus dem Dorf heiraten, Kinder zeugen und sein Leben lang auf dem Acker schuften! Und vor allem möchte er Elena finden, in die er sich unsterblich verliebt hat.

Nach einigen Jahren ist aus Giovanni ein stattlicher Mann geworden, der nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit dem Schwert umzugehen weiß. Er nennt sich fortan Giovanni da Scola, reist nach Venedig und tritt als Astrologe auf. Sein einziges Ziel: Elena. Doch ihn plagt auch ein schlechtes Gewissen: Hinter einem Schrank in seiner Wohnung versteckt Giovanni den ungeöffneten Brief seines Meisters, den er unbedingt dem Papst übergeben soll. Giovanni hat den Brief natürlich nicht gelesen und doch weiß er, dass er von ungeheurer Wichtigkeit sein muss - weshalb sonst sind schwarz gekleidete Männer hinter ihm her und versuchen, ihn zu töten? Die Zeit drängt, Giovanni sollte eigentlich nach Rom reisen. Doch es kommt alles anders...

Ein Lehrbuch in Romangestalt

";Dieses Buch hat mich 15 Jahre lang begleitet. Ich war 29 Jahre alt, als mir die Idee zu diesem Roman kam, und 44, als ich ihn fertig stellte.", so Frédéric Lenoir in einem Interview über ";Das Orakel der Heilerin". Und in der Tat: Was lange währt, wird endlich gut. Denn dieser Roman ist mehr als nur Unterhaltung, bringt er dem Leser doch so große Themen wie Religion und Philosophie näher und das Ganze ansprechend verpackt in einer einzigartigen Lebensgeschichte.

";Das Orakel der Heilerin" liest sich stellenweise fast schon wie ein Lehrbuch. Giovanni begegnet im Laufe seines Lebens drei Lehrmeistern, jeder repräsentiert eine Glaubensrichtung. Portionsweise wird dem Leser eine Masse an Informationen über verschiedene Glaubensgrundsätze und berühmte Persönlichkeiten in der Religionsgeschichte vermittelt. Jeder Satz scheint durchkonstruiert, jede Person, die Giovanni auf seinem Lebensweg trifft, erfüllt eine spezielle Aufgabe, lässt aus dem jungen Burschen einen Mann werden, der zunächst an seinem Glauben zweifelt und letztlich jedoch erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist.

Ebenso wie drei Lehrmeister, lernt er auch drei Frauen kennen, jede von ihnen etwas Besonderes: Die Heilerin Luna, die ihm sein Leben orakelt, die Adlige Elena Contarini, seine erste große Liebe und schließlich die Jüdin Esther (über die an dieser Stelle nichts weiter verraten werden soll, um Ihnen, liebe Leser, nicht die Spannung zu nehmen). Auch hier erfüllt jede der drei Frauen ihre ganz eigene Aufgabe im Entwicklungsprozess Giovannis.

Teils schwülstig, jedoch nie ohne Tiefgang

Wenn auch die vielen Informationen an einigen Stellen etwas langatmig wirken, vor allem dann, wenn man sich für Themen wie Glaube, Religion und Philosophie nicht so brennend interessiert, verliert die Rahmenhandlung jedoch nie an Spannung. Allein schon der ominöse Brief, dessen Inhalt tatsächlich erst am Ende des Buches preisgegeben wird, sowie Giovannis Weiterentwicklung machen ";Das Orakel der Heilerin" zu einem spannenden historischen Roman, dem man mangelnden Tiefgang nicht vorwerfen kann.

Ein anderer, kleiner Kritikpunkt ist die teilweise schwülstige Sprache, vor allem zwischen Giovanni und seinen Frauen. Innerhalb weniger, kurzer Momente oder Tage verliebt sich der junge Mann so unsterblich, dass es ein wenig unglaubwürdig wirkt. Zwar versucht Lenoir, durch Stil und Sprache der auftretenden Figuren Emotionen an den Leser zu bringen. Das klappt auch, jedoch tritt die Gefühlslastigkeit manchmal zugunsten der Konversationen über große Themen etwas in den Hintergrund. Anders ausgedrückt: Man erfährt viel über Giovannis Gefühlsleben, über seine Ansichten zu Glaube, Religion und Philosophie - dies reicht jedoch nicht, um den Leser von seiner endlosen Liebe gegenüber seiner Frauen zu überzeugen, die innerhalb von kurzer Zeit eintritt. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass ein so schnelles, andauerndes Verlieben möglich sein soll und Giovannis Beweggründe sind teils schwer nachzuvollziehen.

Lehrend, niemals belehrend, spannend und romantisch

Nichtsdestotrotz bietet ";Das Orakel der Heilerin" lehrende, niemals belehrende Unterhaltung und eine einzigartige Lebens- und auch Liebesgeschichte. Vor allem die Passagen in Algier und Jerusalem betören den Leser mit Exotik pur. Positiv anzumerken sei auch noch die wunderschöne Karte, auf der man Giovannis Reisen durchs Weltgeschehen verfolgen kann.

Insgesamt ist ";Das Orakel der Heilerin" ein empfehlenswerter Roman. Besonders Religions- und Philosophieinteressierte werden sich gut unterhalten fühlen. Auch für Leser, die etwas fürs Herz brauchen, ist genügend ";Material" vorhanden und durch den geheimnisvollen Brief, den Giovannis Meister an den Papst sendet, kommt auch eine mystische Komponente ins Spiel, vor allem, als eine geheimnisvolle Bruderschaft versucht, Giovanni des Briefes und auch seines Lebens zu entledigen...

Das Orakel der Heilerin

Frédéric Lenoir, Page & Turner

Das Orakel der Heilerin

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