Fake History

Der Titel enthält bereits das Thema: Es geht um Geschichten aus der Geschichte, die den Anspruch erheben wahr zu sein, es aber nachweislich nicht sind - um "Fake History"-  und wie bei aktuellen Fake News kann das skurril bis hoch gefährlich sein.

Die Autorin, eine niederländische Historikerin, ist als "The Fake History Hunter" in den sozialen Medien unterwegs, hier präsentiert sie eine kleine, aber bunte Auswahl von 101 Fällen von Geschichtsfälschung samt deren Widerlegung. Dabei geht es vom Alten Ägypten ("Die Pyramiden wurden von Sklaven erbaut") bis in die 1980er ("Die Serie EastEnders zeigte 1989 den ersten Fernsehkuss von Menschen gleichen Geschlechts"), allerdings sind die Kapitel unsortiert. Man kann mittendrin da einsteigen, wo die Überschrift interessant klingt. Das ist gut so, denn der mitunter etwas zu gewollt witzige Plauderton wirkt schnell ermüdend. Der Erkenntnisgewinn wird dadurch aber nicht beeinträchtigt - und ja, auch der Rezensent hat sich in einer zweistelligen Zahl von Fällen beim Irrglauben ertappen lassen.

Zweifelhafte Maßstäbe

"Geschichte ist bedeutsam. Sie ist ein Leitfaden, der uns hilft, die Vergangenheit zu verstehen, aus der Gegenwart klug zu werden und manchmal sogar zu begreifen, was vor uns liegt", heißt es im Vorwort. Leider wird das Buch diesem hohen Anspruch nur teilweise gerecht, denn der Autorin scheinen in den wilden Weiten des Web die Maßstäbe abhanden gekommen zu sein. Das Thema wäre auch mit zehnmal so vielen Beispielen noch lange nicht erschöpft, natürlich ist die Auswahl subjektiv, und sicher ist es verwerflich, irgendein altes Foto von einer Katze ins Internet zu stellen und wahrheitswidrig zu behaupten: "Das ist das allererste Katzenfoto", aber ist das wirklich Fake History im gleichen Sinne wie "Im Mittelalter wurden Millionen Frauen der Hexerei beschuldigt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt" oder "Hitler erfand die Autobahn"? Im Anhang gibt es eine Liste mit 22 Beispielen, die vielleicht in einem Nachfolgeband thematisiert werden - und die sind durchweg interessanter als viele, die es ins vorliegende Buch geschafft haben.

Absurdes aus dem Internet

Auch da, wo die Relevanz außer Frage steht, bleibt die Behandlung oft oberflächlich; es gibt zudem durchaus (unwesentliche) sachliche Flüchtigkeitsfehler, etwa wenn die römisch-deutsche Kaiserin Maria Theresia als "Kaiserin von Österreich" bezeichnet wird.

Die Stärke dieses Buches liegt nicht in den Einzelgeschichten, sondern darin, grundsätzlich auf das Phänomen Fake History hinzuweisen, unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Medien. Diese verbreiten Fake History nicht nur, sie bringen sie vielfach erst hervor, einfach weil man mit dem massenhaften Posten von (pseudo)historischen Behauptungen und Bildern Aufmerksamkeit erregen kann - und die ist im Netz bekanntlich Geld wert. Dafür wird gegebenenfalls auch ein Foto bearbeitet, manches fängt als Jux an oder jemand hält ein Szenenbild aus einem Spielfilm für eine historische Aufnahme; sehr vieles ist politische Propaganda (aus allen Richtungen) und Antiquitäten verkaufen sich besser, wenn man eine skurrile Anekdote dazu erfindet ("Im viktorianischen England hatten sie spezielle Köfferchen für die Vampirjagd"). Einiges ist so absurd, dass man nicht weiß, was absurder ist: dass sich das jemand ausdenken konnte oder dass es tatsächlich Leute gibt, die es glauben.

Fazit

Ja, Geschichte ist bedeutsam, und es ist ein Fach, bei dem erschreckend viele Leute meinen, mit erschreckend wenig Sachkenntnis mitreden zu können (damit sind besonders diejenigen gemeint, die meinen, sie wären nicht gemeint). Schon darum ist dies trotz kleiner Schwächen ein notwendiges Buch über ein hochaktuelles Problem - und vielleicht kommt ja bald der Nachfolgeband.