Der Sonne so nah
- Kindler
- Erschienen: Januar 2023
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Eine hervorragende geschichtliche Erarbeitung historischer Hintergründe
„(…), immer war es präsent: das Gefühl dieser unbeschreiblichen Erhabenheit, dieser schwebenden Unendlichkeit, und er musste an die Möglichkeiten denken, die sich der Menschheit bieten könnten, würde endlich jemand das Problem des unlenkbaren Ballons lösen.“
Im 19. Jahrhundert taten sich zwei Männer hervor, die als Pioniere der Luftfahrt in die Geschichte eingehen sollten. Im Leben sind sie sich vermutlich nie begegnet, doch werden sie durchaus voneinander gehört haben. Denn sie einte die Faszination, den Luftraum zu erobern, obwohl sie unterschiedliche Ansichten hatten.
Otto Lilienthal wird 1848 in ärmlichen Verhältnissen geboren. Als er mit seinem Bruder Gustav – mit dem er stets ein enges Verhältnis pflegt – Störche beim Flug beobachtet, schwören sich die beiden, das Geheimnis der Vögel zu lüften und sich selbst vom Wind tragen zu lassen. Anfangs ernten die beiden Spott und Hohn, doch die Begeisterung der Brüder ist ungebrochen. Selbst als Otto für Preußen gegen Frankreich in den Krieg zieht, kann er nur an das eine denken. Und so unternimmt er immer wieder Ausflüge zu größer werdenden Hügeln, um von dort mit dem neuesten Luftgerät herunterzugleiten.
Graf Ferdinand von Zeppelin verlebt eine behütete und wohlhabende Kindheit. 1838 in eine Grafenfamilie hineingeboren, ist seine einzige Sorge, dem Vater gerecht zu werden. Er verspricht ihm schließlich, in den Militärdienst einzusteigen, dem er auch die Hälfte seines Lebens folgt. Doch Ferdinand ist geschockt von den desaströsen Möglichkeiten, die den Preußen im Krieg zur Verfügung stehen. Fasziniert ist er von der Ballonfahrt, die er taktisch einsetzen möchte. Doch niemand hört auf ihn, und so bleiben seine Ideen von einem lenkbaren Luftschiff unbeachtet. Erst Ende des 19. Jahrhunderts verschreibt er sich voll seinen Plänen und leitet die Ära der Luftschiffe ein, die bis zum Unglück der Hindenburg anhalten sollte.
Das Eintauchen in vergangene Zeiten
Am Anfang des Romans stellt Autor Axel S. Meyer klar: „Vieles in diesem Roman hat sich so zugetragen. Manches vielleicht. Einiges entspringt dem Reich meiner Fantasie.“ Das Wunderbare an Meyers Arbeiten ist, dass man Fiktion von Realität nicht unterscheiden kann; er vereint beides so nahtlos, dass man ihm alles glaubt, was er aufs Papier bringt. Für einen historischen Roman ist das natürlich auch gefährlich, wenn man Unwahres als historischen Fakt hinnimmt. Daher gibt es am Ende noch ein Nachwort, in dem Meyer aufklärt.
So ergibt sich ein interessanter, lebendiger Roman über zwei Pioniere ihrer Zeit. Man findet sich mittenhinein in die damalige Gesellschaft, amüsiert sich am Berliner Dialekt und an Ferdinands Einnahme von Globuli und Whisky, um seine Nerven zu beruhigen.
Schön sind auch ein paar historische Fotos im Innendeckel des Buches. Leider fehlt ein bestimmtes Foto, das in der Geschichte ausführlich beschrieben wird und Historiker rätseln lässt: Gab es eine geheimnisvolle Frau an Ferdinands Seite? Schade, dass dies nicht mit eingebaut wurde.
Fazit
Nachdem in Der Mann, der die Welt ordnete Carl von Linné geehrt wurde, nimmt sich Axel S. Meyer nun gleich zweier Persönlichkeiten an: Otto Lilienthal und Ferdinand von Zeppelin. Historisch und handwerklich in perfekter Harmonie geschrieben, verliert man sich schnell in deren Leben. Eine unbedingte Empfehlung!
Axel S. Meyer, Kindler
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