Zwischen Schein und Wirklichkeit
Oberheinsdorf, 1931: Hans Kramer, ein überzeugter Nationalsozialist und erfolgreicher Geschäftsmann, lebt gut situiert mit seiner Familie in einem 400 – Seelen Dorf im Vogtland. Doch allmählich aufkommende Zweifel an seiner Gesinnung und eine schwere Erkrankung führen zu einem einschneidenden Umbruch in das traute Familienleben.
„Hoffentlich geht das gut“
Hans Joachim Schädlich verwebt in seinem autobiographisch geprägten Buch präzise den Lebensweg der Familie Kramer mit der deutschen Geschichte in den Jahren 1931 – 1950. Der Vater, Hans Kramer, ein getreulicher Nationalsozialist und Ortsgruppenleiter im vogtländischen Oberheinsdorf, ist ein erfolgreicher Geschäftsmann im Wollhandel. Durch die Zugehörigkeit zu der Elite des Hitler – Staates genießt er viele Privilegien. Soviel, dass er bald für seine Familie eine Villa aus der Gründerzeit in Reichenbach kaufen kann.
In einem gleichmäßigen, ruhigen, neutralen Ton beschreibt der Schriftsteller die zunehmende Kontrolle und Indoktrinierung der deutschen Bevölkerung durch die NSDAP. Exakt, die einzelnen Abschnitte mit Datum versehen, wird der Leser chronologisch von Anfang bis zum Ende in den fürchterlichen Verlauf der nationalsozialistischen Herrschaft eingeführt. Trotz dem Elend und der Not, die der Krieg mit sich bringt, geht es Familie Kramer weiterhin wirtschaftlich gut. Das ändert sich, als Hans Kramer kurz vor Kriegsende unerwartet stirbt. Seine Ehefrau gerät allmählich in finanzielle Nöte.
Profund und mit einer umfangreichen Sachkenntnis versteht es der Autor, die ganze Tragik dieser Zeit am Beispiel der Familie einzufangen. Der dünne, knapp 190 Seiten umfassende Prosaband endet mit einem ironisch anmutenden Epilog über die Villa.
Hans Joachim Schädlich wurde 1935 in Reichenbach / Sachsen geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Linguistik begann er bald mit dem Schreiben. Als umstrittener Schriftsteller in der ehemaligen DDR, übersiedelte er 1977 in die Bundesrepublik. Der vielfach ausgezeichnete Autor lebt heute in Berlin. 2014 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Fazit
Hans Joachim Schädlich besticht durch seinen lakonischen Ton. Mit keinem Wort zu viel wird „Die Villa“ zu einem zeitgeschichtlichen Report, der sicherlich bei den Leserinnen und Leser einen nachhaltigen Leseeindruck hinterlassen wird.
Hans Joachim Schädlich, Rowohlt
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