Die Waldgräfin
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- Erschienen: Januar 2001
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- , 2001, Titel: 'Die Waldgräfin', Originalausgabe
<b>Ordentliches Debüt mit kleinen Schwächen</b>
Aller Anfang ist schwer – und das Bücherschreiben bildet da keine Ausnahme. Mit ihrem Debütroman ";Die Waldgräfin"; hat Dagmar Trodler sicher ein ordentliches Werk vorgelegt – jedoch kein perfektes.
Eines Tages bringt Alienors Vater von einem Jagdausflug einen unbekannten Wilddieb mit auf die Burg, den er grausam foltert und ihr danach kurzerhand zum Geschenk macht. Als Reitknecht soll er ihr dienen, doch zunächst spricht ";Hans” nicht einmal ihre Sprache – nur unbändiger Zorn und Rachegelüste zerfressen seine Seele. Alienor kann mit dem Fremden erst nichts anfangen – bis eine Kettenreaktion von Ereignissen plötzlich ihr ganzes Leben verändert…
Große Gefühle, bittere Realität
Ein gewöhnlicher Roman ist ";Die Waldgräfin"; keinesfalls, denn er erzählt nicht nur von dem Beginn der innigen Liebe eines ungleichen Paares, sondern nimmt den Leser auch mit auf eine Reise in die Gedankenwelt einer ungewöhnlichen Frau.
Zwar ist Alienor von Sassenberg eine fiktive Figur – doch beim Lesen beginnt man zu glauben, dass man Alienors Geschichte selbst durchlebt, denn ihre Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Das ist ungewöhnlich für einen historischen Roman, doch Dagmar Trodler bietet gute Ansätze in dieser Technik: Ständig plagen Alienor Zweifel an allem was sie sagt und tut und die tiefe Religiosität bestimmt weitgehend ihr Leben. Jedoch entstehen trotz des guten Schreibstils einige Längen, hat der Leser doch bisweilen das Gefühl, dass Alienor es mit der Gottesfürchtigkeit übertreibt.
Im einen Moment ist die Hauptfigur in Trodlers Roman eine starke Persönlichkeit, die ihren eigenen Weg geht – doch im nächsten Moment fällt sie wieder in ihr altes Verhaltensmuster zurück und denkt, dass sie für ihre Entscheidungen auf ewig in der Hölle schmoren wird. Sicherlich ist dies auf eine Art nachzuvollziehen – jedoch stimmt es einen etwas nachdenklich, wenn das über fast 600 Seiten so bleibt. Alienor vollzieht zwar eine Wandlung in ihrer Persönlichkeit, doch scheint diese sich vollkommen von ihren Denkansätzen zu unterscheiden. Trotz diesen Widersprüchen ist Alienor von Sassenberg eine interessante junge Frau, deren Schicksal den Leser in seinen Bann zieht.
Ebenso interessant ist Erik, zunächst Hans genannt. Hinter seinem aufbrausenden und bisweilen brutalen Verhalten steckt ein weicher Kern: Auch der unbekannte Knecht, dem alle Ehre durch ein Brandmal und einen eisernen Halsring genommen wurde, sehnt sich nach Ruhe und Geborgenheit. Bisweilen versteht Trodler es jedoch, diese Gefühle zu verbergen, indem sie seine (natürlich vollkommen verständlichen) Rachegelüste und sein Ehrgefühl in den Vordergrund stellt. Während man bei Alienor (auch aufgrund der Ich-Perspektive) oftmals das Gefühl hat, sie zu verstehen, kann man bei Eriks Verhalten manchmal nur den Kopf schütteln. Doch das macht diesen Charakter so faszinierend – wahrscheinlich auch für Alienor!
Ende besonders spannend
Hat der Roman in der Mitte auch so einige Längen, wird es zum Ende hin noch spannend: Werden Alienor und Erik zusammen in eine neue Zukunft fliehen? Hier bekommt der Leser den Eindruck, dass Trodler ihr ganzes Potenzial in die letzten 150 Seiten gesteckt hat – denn sie reißt den Leser mit, der im einen Moment vor Freude weint und im anderen Moment vor Wut kocht. Wäre das ganze Buch doch so fantastisch gewesen! Leider kamen gerade in der Mitte des Buches viele Widersprüche auf (sie zu nennen, würde allerdings zu viel von dem Ausgang der Geschichte verraten).
Einschübe stören Lesefluss
Auch negativ fallen die viel zu häufigen, in lateinischer und nordischer Sprache verfassten Einschübe auf, die zwar für das ";Verständnis nicht notwendig” seien, wie der Anhang verrät, jedoch den Lesefluss stark behindern. Zwar kann man alle Wendungen im Anhang finden, doch ob das beim Lesen Spaß macht ist anzuzweifeln.
Alles in allem bietet ";Die Waldgräfin” spannende Unterhaltung – allerdings nur für die, die es mit kleinen Schönheitsfehlern nicht so genau nehmen. Wer so jemand ist, der kann das Buch gut zur Hand nehmen – wer sich an Widersprüchlichkeiten stört, sollte es trotzdem ausprobieren und danach entscheiden, ob er die beiden weiteren Bände der Trilogie lesen möchte. Dagmar Trodlers Erstlingswerk ist ungewöhnlich – und deshalb sollte man ihm eine Chance geben und hier und da ein Auge zudrücken.
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