Die Waffen des Lichts
- Lübbe
- Erschienen: September 2023
- 2
Die industrielle Revolution erobert Kingsbridge
Kingsbridge, England, 1792. Während in Frankreich die Revolution tobt und das Volk sich gegen den Adel erhebt, sind diese Nachrichten in der englischen Provinz eher eine Randerscheinung. In den vergangenen Jahren hat Kingsbridge sich zu einer Hochburg für Weber entwickelt, und viele Bürger verdienen damit ihr Geld. Das ist nicht immer viel, aber es reicht zum Leben. Als der Arbeiterin Sal Clitheroe der Mann bei einem Unfall stirbt, ist sie mit ihrem kleinen Sohn Kit allein und der Schuldige weigert sich, einen fälligen Ausgleich zu zahlen. Auch Alderman Hornbeam hält sich eher an Regeln, die ungerecht sind, als an Menschlichkeit und macht sich schnell unbeliebt.
Amos Barrowfield erbt von einem Vater eine hoch verschuldete Weberei, wobei er von der finanziellen Lage nichts wusste. Auch er kann von Alderman Hornbeam keine Hilfe erwarten, und so muss er auf andere Hilfe hoffen. Währenddessen gründet Elsie, die Tochter des Bischofs, eine Sonntagsschule für die armen Kinder und macht sich dabei vor allem bei den Methodisten beliebt, wenn auch die Schule auch für die anderen Christen geöffnet ist.
Als die erste Maschine zum Weben nach Kingsbridge kommt, die Spinning Jenny, können zwar viel mehr und viel schnellere Stoffe gewebt werden, aber es kostet auch Arbeitsplätze. Ein Kampf der Arbeiter gegen die Besitzer mündet in der Gründung einer Gewerkschaft und die Lage spitzt sich zu. Einige Verurteilte, die sich nicht alles bieten lassen, werden mit überzogenen Strafen belegt und entweder nach Australien verschifft, oder direkt an den Galgen gebracht. Alderman Hornbeam kennt keine Gnade. Während Kingsbridge allmählich aus seinem Schlaf erwacht und sich modernisiert, ist in Frankreich nach der Revolution Napoleon an der Macht, krönt sich selbst zum Kaiser und überrennt Europa. Auch Bürger von Kingsbridge werden in die Armee gezwungen und werden so Teil einer weltverändernden Geschichte.
Abschluss einer Pentalogie
Da Ken Follett bereits angekündigt hat, dass „Die Waffen des Lichts“ der letzte Teil seiner fünfbändigen Kingsbridge-Reihe sein wird, durfte man auf den Ausgang seiner Chronik sehr gespannt sein. Nachdem alles mit dem inzwischen zum historischen Klassiker avancierten „Die Säulen der Erde“ begann, hat Follett einen Band verfasst, der vor den „Säulen“ spielt, zwei die danach spielen und dies jeweils im Abstand von ungefähr 200 Jahren, so dass nicht die Gefahr bestand, mit denselben Personen neue vielleicht nicht so gute Geschichten zu erzählen; der Mittelpunkt war der Ort Kingsbridge und die Leser konnten verfolgen, wie eine Stadt wächst und mit äußeren und inneren Einflüssen umgeht.
Der rote Faden, der die Geschichten der einzelnen vielen Personen zusammenhält, ist die Weberei und die einhergehende Industrialisierung, die viele Menschen in Arbeitslosigkeit stürzt. Es wird klar, dass die Gesetzgebung mit dem Tempo der Erfindungen und deren Verbesserungen nicht mithalten kann. Schnell setzt sich die Spinning Jenny durch, es wird erst eine Maschine gekauft, dann mehrere; und mit jeder Neuerung, die dazu erfunden wird, werden weniger Menschen gebraucht, die die Maschinen bedienen können. Ken Follett erzählt ihre Geschichten aus allen Blickwinkeln.
Geschichte aus mehreren Blickwinkeln
Neben Sal Clitheroe, die zunächst ihren Sohn Kit durchbringen muss und dafür als Spinnerin arbeitet, ist auch Amos Barrowfield eine Hauptperson des Romans. Er steht als Arbeitgeber quasi auf der anderen Seite und versucht, neben dem technischen Fortschritt auch die Menschen nicht aus dem Auge zu verlieren. Der Weber David „Spade“ Shoveller steht ebenso im Mittelpunkt wie Alderman Hornbeam, der das Gesetz verkörpert und vor keinen Grausamkeiten zurückschreckt. Er und Amos begegnen sich das eine ums andere Mal vor Gericht, und der Ausgang ist nicht immer vorherbestimmt.
Der Roman umspannt einen Zeitraum von 24 Jahren und so wird klar, dass nicht jedes Schicksal bis ins kleinste verfolgt und beschrieben wird. Die Protagonisten haben natürlich auch ein Privatleben, lernen neue Partner kennen, heiraten, bekommen Kinder, erleben Schicksalsschläge und freudige Ereignisse, und währenddessen geht in Frankreich die Revolution zu Ende und ein kleiner Korse ergreift die Macht und fällt über Europa her. Zwar ist man auf der britischen Insel zunächst geografisch in Sicherheit, doch werden immer mehr Soldaten gepresst oder melden sich freiwillig zum Militärdienst, um ihr Land auch auf dem Kontinent zu verteidigen. Der Held ist General Wellington, und das 107e Regiment Kingsbridge tritt auch in Waterloo an, um Napoleon zu stoppen. Hier sind auch einige der bekannten Protagonisten dabei, und der Krieg fordert mentale und persönliche Opfer, wie das Leben so ist.
Facettenreiche Erzählung
Wer schon den einen oder anderen Roman von Ken Follett gelesen hat, weiß, dass er eine leichte, nicht komplizierte Sprache pflegt und auch keine wirklich komplizierten Handlungen strickt. Folletts Ansinnen ist hier vielmehr, einen fiktiven Ort mit fiktiven Menschen in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs zu präsentieren und dies aus mehreren Perspektiven zu beleuchten. So hat er es in den vorhergehenden vier Bänden getan, und so ist es auch in diesem Roman wieder. Und doch gibt es einige Unterschiede, die erwähnenswert sind.
Anders als in anderen Nachfolgern von „Die Säulen der Erde“ erzählt Follett hier vielfältig, verknüpft die Personen auf mehreren Ebenen und schafft so einen Gesamtzusammenhang, der einigen anderen Vorgängern fehlte. Natürlich gibt es auch einen „bösen“, der gegen die „Helden“ arbeitet, das ist manchmal recht plakativ, aber auch er wird nicht nur schwarz-weiß dargestellt, sondern bekommt auch einige andere Facetten. Überhaupt bemüht sich Follett, seine Figuren, vor allem die Hauptcharaktere, vielschichtiger darzustellen, was bei den meisten auch gelingt, abhängig davon, wie wichtig sie für die Handlung sind.
Von Kingsbridge nach Waterloo
Mit dem Krieg der Engländer gegen die Franzosen auf belgischem Boden verlässt Follett Kingsbridge für einen längeren Zeitraum, und hier beschreibt er die Schlacht von Waterloo aus mehreren Richtungen, eine davon aus der Sicht des Anführers Wellington, der aber auch Kontakt zu Bürgern aus Kingsbridge hat. Mehr soll hier nicht erwähnt werden. Doch der Roman endet nicht mit der Schlacht, sondern damit, was sie aus den Menschen macht, den vermeintlichen Siegern, die nach Hause kommen und mit ihrem neuen alten Leben klarkommen müssen. Hier hat Follett gut hingeschaut.
Die gut 875 Seiten aus dem Lübbe Verlag ergeben eine kurzweilige, endlich wieder eine gut erdachte und erzählte Geschichte, die aus der Kingsbridge-Reihe hinter dem Klassiker „Die Säulen der Erde“ wohl der gelungenste Teil ist. Eine Karte Europas und eine kurze Danksagung sind leider die einzigen Ergänzungen des Romans. Nicht nur Follett-Fans kommen hier auf ihre Kosten, und zugreifen kann jeder, denn die fünf Romane der Reihe haben außer dem Ort Kingsbridge keinen Zusammenhang und können daher jeder unabhängig für sich gelesen werden.
Fazit
„Die Waffen des Lichts“ von Ken Follett sind ein würdiger Abschluss seiner Kingsbridge-Reihe und nach „Die Säulen der Erde“ wohl der gelungenste Teil. Die Charaktere sind nicht nur schwarz-weiß, der geschichtliche Rahmen der Industriellen Revolution, der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons werden in weiten Facetten dargestellt und durch menschliche Schicksale intensiv beleuchtet. Hier kann man bedenkenlos zugreifen, wenn man eine unkomplizierte Sprache mag. Man wird gut unterhalten und hat eine angenehme Geschichtsstunde. Das ist mehr als viele andere Romane bieten. Empfehlenswert.
Ken Follett, Lübbe
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