Der Sturz des Löwen

In diesem ersten Band zur Serie “Das Gold der Weiden” steht nicht, wie zu vermuten wäre, Herzog Heinrich der Löwe im Mittelpunkt, sondern der junge Michael von Auwied. Dieser hat bei einem Überfall nicht nur seinen Vater und seinen Bruder, sondern auch die Lebensgrundlage des Gutes verloren: Fünfzig Pferde, die für den Verkauf auf dem Markt von Braunschweig bestimmt waren. Seine Stiefmutter sucht nun für sie beide Schutz in der Nähe der gräflichen Burg. Für Micha, wie Michael genannt wird, ist es eine glückliche Fügung, als er beim Maultier- und Pferdezüchter Adam unterkommt.

Ein Talent, das hilft

Hier, auf dem Hagenhof, kann Micha sein Talent mit den Pferden unter Beweis stellen. Dies hilft ihm, mit den schrecklichen Ereignissen in der Vergangenheit fertig zu werden. Vergessen wird er jedoch nicht. Es gilt für ihn herauszufinden, auf wessen Geheiss der Überfall auf seinen Vater geschah. Micha braucht viel Geduld und Geschick, damit er sich und andere nicht in Gefahr bringt. Unterstützung erhält er von der gleichaltrigen Sibilla, Adams Tochter. Sie hat, wie Micha, eine gute Hand mit Mulis- und Pferden und steht bedingungslos zu ihm. Die beiden Kinder sind unzertrennlich. Das bleibt bis ins Erwachsenenalter so. Während Micha sich als Rössner bewährt, versucht Sibilla, die Führung des Hagenhofes von ihrem erkrankten Vater zu übernehmen. Ein schwieriges Unterfangen in einer von Männern dominierten Welt. Und die Folgen rund um das Zerwürfnis zwischen Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen macht das Leben für alle nicht leichter.

Das Leben im Mittelalter

Martha Sophie Marcus hat das Geschehen äußerst bildhaft aufgebaut. Dies liegt vor allem an den umsichtig eingesetzten historischen Details, sowie ihrem angenehmen Schreibstil. Die gesellschaftlichen Strukturen und die damit verbundenen Pflichten sind verständlich und glaubhaft dargestellt. Deutlich erkennbar werden die fehlenden Rechte und die Abhängigkeiten der Untertanen. „Damit ein Urteil respektiert wird, muss es den Leuten nun mal einleuchten. Man muss ihnen die Tat und den Täter glaubhaft vor Augen führen. Hier auf der Burg gibt es aber viele, die aus verschiedenen Gründen nicht würden glauben wollen […]“

Eine wichtige Rolle in diesem Roman erhält die Maultier- und Pferdezucht. Gute und ausgebildete Tiere sind wesentlich für die Burgherren und Ritter, wenn sie in die Schlacht ziehen. Dazu vermag die Autorin viel Wissenswertes beizutragen, ohne dass dabei Langeweile aufkommt.

Der Roman beginnt im Jahr 1164, als Micha gerade zwölf Jahre ist und erzählt in kleineren und größeren Zeitsprüngen von seinem Leben als Heranwachsender. Die Geschichte endet im Jahr 1179, als er als Rössner im Dienst des Grafen steht.

Das erste Buch in der „Das Gold der Weiden“-Reihe endet abrupt. Schade, denn ein etwas fließender Übergang zur Fortsetzung hätte das Ganze abgerundet.

Fazit

In diesem Roman spielt die Auseinandersetzung zwischen Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa nur eine untergeordnete Rolle. Aber die Auswirkungen des Zerwürfnisses erstrecken sich bis auf die Summerburg und sind auch für die Untertanen spürbar. Eine schöne und gut aufgebaute Geschichte, die perfekt die Zeit und die Gesellschaftsstrukturen widerspiegelt. Das offene Ende macht neugierig auf die Fortsetzung.