Pompeji

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  • Erschienen: April 2023
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonJun 2023

Wer glaubt schon an einen Vulkanausbruch?

Josse, der ungebildete Sohn eines Metzgers, lebt mit seinen beiden nutzlosen Freunden in Pompeji vor sich hin, als sie eine Möglichkeit sehen, beim anderen Geschlecht Erfahrungen zu sammeln. Es gibt angeblich einen Vogelschutzverein, der sich regelmäßig in einem Hühnerstall trifft und wo auch junge Mädchen hingehen. Allerdings stellt sich heraus, dass es hier nicht um Vogelschutz geht, sondern dass hier unter diesem Vorwand über Philosophie diskutiert wird. Ein eingeladener Wissenschaftler erklärt seine Theorie, dass das große Beben vor fünfzehn Jahren wohl nur die Ankündigung eines großen Vulkanausbruchs gewesen sei, aber niemand glaubt ihm, außer Josse, der den entscheidenden Satz sagt: „… da der Berg sich kaum von der Stelle bewegen wird, [uns] wohl kaum etwas anderes übrig bleibt, als uns selbst von der Stelle zu bewegen.“

Fortan beginnt die steile politische Karriere des Josse, eher ungewollt, aber er ist einer, der Initiative zeigt, und solchen Leuten folgen die Menschen, die von ihrem bisherigen Leben und der Politik enttäuscht sind. Es finden sich mehrere Menschen am Meeresufer ein und gründen die neue Siedlung „Fenster des Meeres“, zudem gründen sie einen Vulkanverein. Alsbald bekommen die Menschen aus Pompeji Wind von der neuen Siedlung, wo jeder frei bauen kann, was die Preise in Pompeji nach unten treibt und das Ganze zum Politikum macht.

Währenddessen bandelt Josse mit Livia, der Frau des Stadtoberhaupts, an und gerät in einen Strudel aus Politik und Schachereien, Wahrheiten und Lügen, und während die einen die Geschichte von einem bald ausbrechenden Vulkan glauben, und bereits die Stadt verlassen, tun dies andere nicht und wittern das große Geld. Man schreibt das Jahr 79 nach Christus, und eine der größten Naturkatastrophen der jüngeren Geschichte kündigt sich langsam, aber gewaltig an…

Ein Sittenbild der Antike

Eugen Ruge hat mit seinem Roman „Pompeji“ mehr ein Sittenbild der Zeit, auch satirisch zu sehen, geschaffen als eine „Biografie“ des berühmten Vulkanausbruchs des Vesuvs vor 2000 Jahren. Dabei erweist er sich als spitzfindiger Beobachter, der mit aufmerksamem Auge nicht nur das Geschehen, sondern auch das Drumherum beobachtet und es wortgewandt dem Leser näherbringt. Sein Schreibstil ist dabei mehr als ungewöhnlich, denn der Erzähler spricht und formuliert, als würde ihm alles gerade erst einfallen. Es ist ein lockerer, persönlicher Stil mit vielen Seitenbemerkungen, dabei mit viel Witz und Augenzwinkern, und ein Hauch Satire schwingt immer auf jeder Seite mit.

Josse ist der Hauptdarsteller des Romans, und er kommt zum Heldentum wie die Jungfrau zum Kind. Wie er den Aufstieg vom Straßenjungen zur Stadtspitze schafft, liest sich fast wie bei Ephraim Kishon. Dabei ist er in Pompeji solch ein Neuling mit frischen Ideen, dass bald alle politischen Lager, seien es Epikureer, Platoniker, Pythagoreer und wer sonst noch, ihm zuhören und ihm folgen, als er beschließt, am Meer eine neue Siedlung zu bauen und einen Vulkanverein zu gründen. Vielen der neuen Mitglieder ist völlig egal, um was es in dem Verein geht, Hauptsache man ist beisammen, kann als junger Mann vielleicht ein Mädchen kennenlernen und hat sich dabei einer sinnvollen Sache verschrieben.

Humorvoll und flüssig geschrieben

In „Pompeji“ wird der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten. Egal was irgendwer sagt, es wird geglaubt, denn derjenige, der es gesagt hat, hat gesagt, dass es stimmt, also muss es stimmen. Dass im Hintergrund bald ein Vulkan ausbrechen wird, glauben nur die wenigsten, viele wissen gar nicht was ein Vulkan ist. Menschen folgen Menschen mit Ideen, wenn sie keine eigenen haben, unreflektiert wie Schafe in der Herde, und genauso wie den Menschen um Josse geht es vielen Menschen heute. Eugen Ruge trifft mit diesem Roman genau in das Herz der Zeit, denn genauso ist es heute wieder, leider, wie man sagen muss. Ruge beschreibt die heutige Gesellschaft mit einem historischen Ereignis von vor über 2000 Jahren, als hätte die Menschheit inzwischen nichts dazugelernt.

Natürlich blitzen zwischendurch immer wieder historische Fakten auf, die die Gesellschaft zeigt, wie sie zu dieser Zeit gelebt hat, wie die geografischen Verhältnisse waren und wie zustande kam, was man heute noch als Ruinen bewundern kann. Historische Figuren wie Plinius der Ältere tauchen auf, viele Figuren hingegen sind erfunden, aber Ruge haucht ihnen ein realistisches Leben ein und zeigt alle Facetten des Volks, durch alle Stände und alle Intelligenzen. Wer am Ende überlebt, und wer doch unter dem Ascheregen begraben wurde, das ist beklagenswert, aber nach einer solchen Lektüre traut man jedem alles zu.

Fazit

„Pompeji“ von Eugen Ruge ist ein großartiger Roman, der prächtig unterhält und obwohl er dem Leser den Spiegel vorhält, tut er dies nicht mit der Brechstange, sondern mit viel Humor und Satire. Die Ereignisse aus dem Jahr 79 nach Christus werden im Vorlauf des Ausbruchs geschildert, der viele überrascht hat, trotz Vorwarnungen. Doch gab es wichtigere Sachen als Warnungen, man hatte schließlich sein Leben zu leben. Ein Roman, der nicht nur Freunden und Fans von Literatur aus der Römischen Antike dringend, unbedingt und zweifelsfrei anempfohlen werden kann. Gerne läsen wir mehr Bücher dieser Art.

Pompeji

Eugen Ruge, dtv

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