Der Zauberer vom Cobenzl

  • Haymon
  • Erschienen: August 2023
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Carsten Jaehner
871001

Histo-Couch Rezension vonSep 2023

Ein Leben voller Experimente

Carl Ludwig von Reichenbach war nicht nur Erfinder und Entwickler von neuen Methoden zur Holzverkohlung und Teerverarbeitung, sondern als Freund der Naturwissenschaften auch den geistigen Wissenschaften nicht abgeneigt. So suchte er immer neues, um diesem auch neue Namen zu geben, sein größtes Ziel war die Entdeckung des Od, einer Art unsichtbare Lebenskraft, die besonders begabte Menschen sehen könnten, er hielt dies in seiner Od-Lehre fest.

Ab 1835 lebte er mit seiner Familie auf Schloss Cobenzl in der Nähe von Wien, wegen seiner Experimente nannten ihn die Wiener den „Zauberer vom Cobenzl“, ein bisschen verschroben, aber sonst ungefährlich. Reichenbach war Vater von fünf Kindern, darunter die Töchter Hermine und Ottone, die der Vater gerne an seiner Seite hat, die aber beide einen anderen Weg nehmen möchten als der verständnislose Vater dies für die vorgesehen hat.

Ein verschrobener, aber netter Vater

Die österreichische Schriftstellerin Bettina Balàka setzt mit ihrem Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ nicht nur dem ehemaligen Schloss Cobenzl in der Nähe von Wien ein Denkmal, sondern auch dem Erfinder Carl Ludwig von Reichenbach. Protagonistin des Romans ist jedoch dessen Tochter Hermine, aus deren Ich-Perspektive der Roman erzählt ist. Sie beschreibt ihre Kindheit mit einem Vater, der sich immer für naturwissenschaftliche Dinge interessierte und dabei auch vor eher spirituellen Dingen, wie die Suche nach dem Od, nicht haltmacht. Seine Töchter ziehen mit, ohne gefragt zu werden, und so verbringen die Kinder eine eher ungewöhnliche Kindheit.

Das Buch ist in 13 Kapiteln eingeteilt, die jedes für sich eine gelungene Episode aus dem Leben Hermines oder des Vaters erzählt. So geht es in einem Kapitel darum, wie es ist, bei irgendetwas der erste zu sein und dann einem Ding einen Namen geben zu können, den man sich selbst ausgedacht hat.

„Wie verdorben und entweiht ist eine Höhle, in der der Mensch schon seit Jahrzehnten geklopft, gerußt, gegraben und Abfall hinterlassen hat, im Vergleich zu einer, wo man in das Geheimnis der unberührten Erde tritt. “

Auch dies ist eine Motivation für den unendlichen Forscherdrang des Vaters, der rastlos seine Expeditionen und Versuche macht und dabei manchmal den Bezug zur Familie, zur Realität verliert. So wird klar, dass der Vater eine verschrobene, bisweilen kuriose Figur ist, die nicht aus ihrer Haut kann, aber auch eine tragische Figur, die eben das nicht mitbekommt und so auf Dauer seine Töchter verliert.

Vater und Wissenschaftler sein ist schwer

Die Autorin spürt wortgewandt den Geschichten und Anekdoten der Familie nach und baut in jedem Kapitel eine Spannung auf, die den Leser zwangsläufig an die Lektüre fesselt und ihn dabei auch gut unterhält. 1835 erwirbt der Vater das Schloss Cobenzl am Reisenberg bei Wien, mit Grotte im Park, einem Wasserfall in der Grotte und somit einem idealen Gebiet für Forschungen und Gelegenheit für weitere Verschrobenheiten und philosophische Ausflüge.

Hat der Vater die eine Tochter bereits verloren, so droht ihm auch der Verlust von Hermine, als sie den schon lange in ihrem Leben präsenten Freund Carl Schuh heiraten möchte. Es ist schwer für den Vater, die Töchter ziehen zu lassen, ja gar unmöglich, und so fühlt er sich verlassen und bricht mit den Töchtern. Er kann nicht verzeihen, was ihn noch verschrobener macht als er eh schon ist, und die Autorin schafft es, dem Leser den Vater trotzdem nicht als unsympathischen Menschen dastehen zu lassen. Sie findet immer die richtigen Worte und gibt dem Leser stets das Gefühl, Teil der Geschichte zu sein.

Der Geschichtsaspekt des Romans liegt in der Hauptsache darin, eine Zeit und einen Ort zu beschreiben, der heute so nicht mehr existent ist. Allerdings gelingt es der Autorin scheinbar mühelos, das Schloss und den Park in bunten Farben zu malen und dem Leser das Gefühl zu geben, hier ebenfalls zu Hause zu sein. Natürlich mit einem älteren Herrn als Bewohner, der so seine Schrullen hat. Zudem ist der Vater ein Kind seiner Zeit, von den Wienern bewusst als der „Zauberer vom Cobenzl“ bezeichnet, denn irgendwie ist man ja doch auch fasziniert von ihm.

Fazit

Auf knapp 250 Seiten aus dem Haymon Verlag entführt die Autorin die Leserschaft launig und wortgewandt in eine Welt voller Fantasie und Realität, die wundervoll und unterhaltsam zu lesen ist und dabei auch immer ein Augenzwinkern dabei hat. Die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich wird treffend geschildert und der Leser in eine faszinierende Welt entführt, die einen philosophischen Touch hat und für jeden als Lektüre geeignet ist. Hier wird sich niemand langweilen.

Der Zauberer vom Cobenzl

Bettina Balàka, Haymon

Der Zauberer vom Cobenzl

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