Der Verrat der Kaufmannswitwe

  • epubli
  • Erschienen: Juni 2023
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Carsten Jaehner
841001

Histo-Couch Rezension vonSep 2023

Seltener Beitrag zur Dortmunder Stadtgeschichte

Burg Altena, 1376. Beleke wohnt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in Altena und bekommt die Gelegenheit, oben auf er Burg als Magd zu arbeiten. Sie macht sich gut und lernt im Winter den Ritter Rotger kennen, mit dem sie sich anfreundet und bald mehr als das. Als sie merkt, dass sie schwanger ist, ist Rotger im selben Moment abgereist, ohne davon zu wissen. Sie will ihm hinterher reisen, was sich im Winter aber als schwierig erweist. Von der Familie verstoßen, schließt sie sich einem fahrenden Gaukler an, mit dessen Sohn, Lambert, sie sich anfreundet.

Den Winter und die Zeit der Geburt verbringen sie schließlich in der freien Reichsstadt Dortmund, wo sie von der Händlerin Neyse Sudermann aufgenommen werden. Diese hat gerade ihren Mann verloren und versucht, neben ihrem Schwager die Geschäfte aufrecht zu erhalten. Ein Techtelmechtel mit ihrer alten Jugendliebe Dietrich von der Mark bedeutet weitreichende Schwierigkeiten, denn Dietrich gehört zu den Feinden Dortmunds. Durch ihre Liebe bringt sie ganz Dortmund in Gefahr…

Mittelalterliche Dortmunder Stadtgeschichte

Silke Elzner hat sich mit ihrem Roman „Der Verrat der Kaufmannswitwe“ ein Kapitel der Dortmunder Stadtgeschichte ausgesucht, das dort jeder kennt. Daher beruht der Grundstein des Romans auf wahren Begebenheiten, wie sie im Nachwort auch selbst darstellt. Die Ereignisse bis etwas mehr als die Mitte des 532 Seiten starken Romans haben sich weitestgehend so abgespielt, Lücken oder verschiedene Darstellungen hat sie sinnvoll und nachvollziehbar gefüllt und präsentiert somit einen über weite Strecken historisch belegbaren Roman. Im zweiten Teil erzählt sie Belekes Geschichte weiter, wie es ihr zehn Jahre nach den Ereignissen weiter ergangen ist, auch diese basieren auf einem belegten historischen Hintergrund.

Die Autorin pflegt einen flüssigen Erzählstil, den man gut lesen kann, daher fällt es dem Leser leicht, sich in die Geschichte hineinzuversetzen. Auch wenn Beleke ob ihren jungen Jahren noch etwas unbedarft wirkt und auch so handelt, kann man ihre Gefühle Rotger gegenüber nachvollziehen und auch den Wunsch, ihn zu finden und mit ihm eine Familie zu gründen. Doch hat sie sich die Suche nach ihm wohl leichter vorgestellt. Im Winter, hochschwanger und von der Geografie keine Ahnung, hat sie nur den Anhaltspunkt „Dinslaken“, aber keine Idee, wo das ist, geschweige denn, wie sie dort hinkommt.

Wo die Liebe hinfällt

Glücklicherweise kommt sie in Dortmund unter, mithilfe von Lambert, dem Sohn des Gauklers. Um überhaupt die Chance auf eine Anstellung und Unterkunft zu haben, geben sie sich als Geschwister aus, und so wächst der Neugeborene, der den Namen des Dortmunder Schutzpatrons Reinold bekommt, mit Mutter und Onkel auf. Neyse Sudermann, die Gastgeberin von Beleke, ist zwar frisch verwitwet, hat aber ein gutes Herz und nimmt Beleke für den Winter auf, damit sie in Ruhe ihr Kind zur Welt bringen kann.

Von hier an nimmt die Historie ihren Lauf, die Autorin hat ausführlich recherchiert und malt ein treffendes Bild von Zeit und Ort. Ein historischer Stadtplan der Stadt Dortmund wäre eine nette Ergänzung zum Roman gewesen, damit auch nicht-einheimische die örtlichen Dimensionen besser nachvollziehen können. So ergänzt einzig eine Karte der Ortschaften entlang der Ruhr den Roman. Doch zeigt die Autorin gute Ortskenntnis und bringt die Leserschaft in ein Dortmund des 14. Jahrhunderts, das für viele eher unbekannt sein dürfte, zumal das Ruhrgebiet nicht so häufig Gegenstand von historischen Romanen ist. Allein dieser Einfall sei lobend erwähnt und kann gerne viele Nachahmer finden.

Man sieht sich immer zweimal

Im zweiten Teil, der zehn Jahre später immer noch in Dortmund spielt, hat sich die Stadt von den Ereignissen zuvor längst erholt, wird aber neuerlich von Dietrich von der Mark belagert, und diesmal meint er es ernster. Doch die Dortmunder sind gut vorbereitet und haben auch Ritter als Söldner eingekauft, unter ihnen auch der ahnungslose Rotger, der doch nicht einen so tollen Weg hinter sich hat wie er einst dachte. Belekes Sohn Reinold ist inzwischen elf Jahre alt und weiß, dass sein Vater Ritter ist, mehr Details kennt er nicht, aber so will er natürlich auch Ritter werden und übt fleißig mit dem Holzschwert. Wie ein Deus ex machina landet er natürlich als Helfer ausgerechnet bei Rotger, und die Familiengeschichte nimmt ihren Lauf.

Dass der zweite Teil dramaturgisch schwächer als der erste geraten ist, liegt wohl mit daran, dass der erste historisch enger an der Wahrheit liegt und man im zweiten mehr Fantasie hineinstecken musste. Hier laufen einige Fäden doch sehr glatt ab, da hätte ich mir den einen oder andern Haken mehr gewünscht. Sprachlich und was die Historie angeht, bleibt der Roman im zweiten Teil wie im ersten.

Neben der erwähnten Karte ergänzen ein fünfseitiges historisches Nachwort, das noch einmal die tatsächliche Geschichte vergleicht, und eine Danksagung den Roman, der dem Leser eine interessante Begebenheit präsentiert, die historisch bedeutsam für die Region war. Leider ist vom historischen Dortmund heute nicht mehr viel übrig, als dass man das noch vor Ort nachvollziehen könnte.

Fazit

Mit ihrem Roman „Der Verrat der Kaufmannswitwe“ setzt die Autorin einem Teil der Dortmunder Stadtgeschichte ein Denkmal und macht neugierig auf mehr Geschichten aus dem mittelalterlichen Ruhrgebiet, abseits von Kohle und Bergbau. Die erste Hälfte besticht durch die stringente Geschichte, der zweite Teil fällt hingegen etwas ab, da das herrschende historische Ereignis nur noch als Randkulisse für die Handlung dient. Dennoch ist der Roman allen Fans von Mittelalterromanen durchweg zu empfehlen.

Der Verrat der Kaufmannswitwe

Silke Elzner, epubli

Der Verrat der Kaufmannswitwe

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