Dorf unter Verdacht

  • Kein & Aber
  • Erschienen: Oktober 2023
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Carola Krauße-Reim
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Histo-Couch Rezension vonDez 2023

Mehr Gesellschaftsbetrachtung als Krimi

Nicola Upson ist eine britische Autorin, die ihre Krimis immer vor historischem Hintergrund spielen lässt. Bereits 2009 kam mit „An Expert in Murder“ der Auftakt zur Bestseller-Serie rund um Josephine Tey im englischen Original heraus, neun weitere Bände folgten. Im Oktober 2023 hat der Kein & Aber Verlag drei dieser Krimis in deutscher Übersetzung herausgebracht, halbjährlich soll es nun jeweils zwei weitere Bände geben. Mit „Experte in Sachen Mord“ (Band 1), „Mit dem Schnee kommt der Tod“ (Band 9) und „Dorf unter Verdacht“ (Band 10) ist dabei eine willkürliche Auswahl getroffen worden, was aber dem Verständnis der Handlungen keinen Abbruch tut. Lediglich für die Hintergrundinformationen wäre es besser gewesen, die Serie der Reihe nach zu veröffentlichen, denn gerade die persönlichen Belange der Hauptfiguren kann man nur zwischen den Zeilen erahnen, wenn man, wie ich, mit dem 10. Band in die Serie einsteigt.

Eine ungewöhnliche Protagonistin ermittelt

Nicola Upson kehrt für ihre Krimis in die Goldene Zeit der Kriminalliteratur zurück. Ihre Verbrechen spielen von 1934 bis 1939. Immer steht eine bekannte zeitgenössische Person oder ein einschneidendes Erlebnis aus dieser Zeit im Mittelpunkt. Als Protagonistin hat sich Upson die reale Schriftstellerin Josephine Tey ausgesucht, eine Kollegin von Agatha Christie und Dorothy L. Sayers. Josephine Tey war das Pseudonym von Elizabeth Mackintosh, die laut der Crime Writer‘s Association mit „The Daughter of Time“ den besten Kriminalroman aller Zeiten geschrieben hat. Tey lebte sehr zurückgezogen, von ihrem Privatleben ist nicht viel bekannt. Sie gab keine Interviews und äußerte sich auch gegenüber ihren wenigen Freunden nur sehr zurückhaltend. So ist es umso verwunderlicher, dass Nicola Upson ihre Josephine Tey ein gleichgeschlechtliches Verhältnis mit Marta Hallard eingehen lässt. Upson gibt an, dass Teys Homosexualität aufgrund von zahlreichen Briefen und Äußerungen von Bekannten feststehen würde, doch zweifelsfrei ist das nicht. Jedoch bereichert es den historischen Hintergrund der Handlungen um eine weitere Komponente, da Homosexualität in Großbritannien zu dieser Zeit noch als Sittlichkeitsvergehen bestraft wurde.

Am Vorabend des 2. Weltkrieges

August 1939: Die britische Regierung evakuiert Kinder aus London um sie vor den Folgen des drohenden Krieges zu schützen. Ganze Zugladungen mit kleinen und großen Jungen und Mädchen kommen in der englischen Provinz an. So auch im Dorf von Josephine und Marta. Pfarrersgattin Hilary Lampton hat alle Hände voll zu tun, die Neuankömmlinge unterzubringen, vor allem da es viel mehr sind, als angekündigt. Doch die Einheimischen sind hilfsbereit und bald hat sie die Situation im Griff. Doch am nächsten Tag ist eines der evakuierten Kinder verschwunden. Eine großangelegte Suchaktion nach dem kleinen Mädchen wird gestartet, unterstützt von Josephines Bekanntem, Detective Inspector Archie Penrose. Als das Kind nicht wieder auftaucht, brechen im Dorf Gräben auf, die Bewohner argwöhnen Böses und fangen an sich gegenseitig zu beschuldigen.

Krimi mit langer Anlaufphase

Nicola Upson konzentriert sich sehr lange auf die politische und gesellschaftliche Situation kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges. Sie beschreibt die Umstände der Evakuierungen, die Verzweiflung, die oft damit einher ging und die Auswirkungen auf die Gemeinden und Familien, die fremde Kinder aufnahmen. Das ist sehr interessant, wenn man sich für die historischen Hintergründe interessiert, jedoch weniger, wenn man sich auf einen spannenden Krimi gefreut hat. Die Handlung wird dann auch erst im letzten Drittel des Buches packend, wenn ein unvorhersehbarer Twist die Situation komplett ändert. Bis dahin ist „Dorf unter Verdacht“ eher eine Gesellschaftsbetrachtung, die mit dem tragischen Schluss noch einmal die Verzweiflung der zurückgelassenen Eltern aufgreift.

Und noch eine historische Persönlichkeit

Wie in England üblich, gibt es auch in Josephines Dorf ein Herbstfest, bei dem alles Mögliche prämiert werden soll. Vom Gemüse bis zum Kinderkostüm sollen die jeweils Schönsten und Besten ausgezeichnet werden – und das war bis jetzt die Aufgabe von Josephine Tey. Doch dieses Mal gab es ein Missverständnis und auf einmal steht auch Margery Allingham dafür bereit. Was ein Problem hätte werden können, entpuppt sich als Glücksfall, denn nun gibt es zwei Prominente, die Preise vergeben und Josephine lernt eine Kollegin kennen, die ihr sehr sympathisch ist. Upson hat mit Margery Allingham eine weitere Krimiautorin dieser Zeit in den Plot aufgenommen. Allingham und Tey sind dabei wie zwei Kontrapunkte, deren Gespräche einen sehr unterhaltsamen Wert haben. Doch wie auch diese Begegnung, ist sehr viel in diesem Krimi eher unrealistisch. Die Häufung problematischer und krimineller Vorfälle in dem kleinen Örtchen in der Vergangenheit ist kaum zu glauben und die Tatsache, dass D.I. Penrose einmal mehr ganz zufällig auftaucht und dann auch gleich alle Aktionen an sich zieht erst recht. Alles zusammen ergibt daher einen leider realitätsfernen und wenig spannenden Plot.

Fazit

Ein erst sehr spät spannend werdender Krimi. Lange Zeit verharrt Nicola Upson in der Beschreibung der britischen Gesellschaft kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges. Damit überzeugt der 10. Band der Serie rund um Schriftstellerin Josephine Tey nicht. Bleibt zu hoffen, dass die anderen beiden bereits im Kein & Aber Verlag erschienen Bücher und auch die noch ausstehenden, packender sind. Spannend ist aber auf jeden Fall, welches Ereignis oder welche historische Persönlichkeit darin Grundlage der Handlung sind.

Dorf unter Verdacht

Nicola Upson, Kein & Aber

Dorf unter Verdacht

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