Act of Oblivion

  • Penguin
  • Erschienen: Juni 2022
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Michael Seitz
701001

Histo-Couch Rezension vonNov 2023

Die Monarchie kehrt zurück…

Wir schreiben das Jahr 1660. Kurz zuvor ist die Regentschaft Cromwells zu Ende gegangen, und Charles II hat den englischen Thron bestiegen. Die Revolution der Puritaner fand mit dem Tod von Oliver Cromwell ein rasches Ende, die von ihm errichtete Republik zerfiel, weil sein Sohn Richard, nicht ausgestattet mit dem Charisma und den Führungsqualitäten seines Vaters, sich nicht lange als Lordprotektor an der Macht halten konnte. So kehrt die Monarchie nach England zurück und der neue König trachtet naturgemäß danach, die Reste der Cromwell´schen Ordnung und deren führende Köpfe, soweit sie noch am Leben sind, zu beseitigen. Ganz besonders im Auge haben die Royalisten dabei die 78 Unterzeichner eines Dokuments, welches die Hinrichtung von König Charles I Stuart, dem Vater des neuen Königs, anordnete, die dann im Jahre 1649 durch Enthauptung vollzogen worden war. In den Augen des Königs und seines Reichskanzlers, Sir Edward Hyde, sind diese Männer nichts anderes als Hochverräter und Königsmörder (engl. Regicides). Sir Edward ordnet daher an, alle noch lebenden Unterzeichner zur Strecke zu bringen, gleich ob tot oder lebendig, um ein Exempel an Ihnen zu statuieren. Er löst damit die größte Menschenjagd der frühen Neuzeit aus.

Hierzu bedient er sich – an dieser Stelle verlässt der Roman die historisch verbürgten Tatsachen – eines Mannes mit Namen William Nayler, der nicht nur ein erfahrender Soldat und ein überzeugter Royalist ist, sondern auch ganz eigene Motive hat, insbesondere zwei der Unterzeichner, Edward Whalley und William Goffe, buchstäblich bis ans Ende der damaligen Welt zu jagen. Whalley und Goffe, letzterer der Schwiegersohn des ersten, dienten als Oberste bei der berüchtigten Reitertruppe „Ironsides“ in Cromwells „New Model Army“ und waren, davon ist Nayler überzeugt, dafür verantwortlich, dass bei einer Razzia in einer Kirche, in der sich katholische Royalisten heimlich trafen, seine von ihm innig geliebte und zudem schwangere Frau getötet wurde.   

… zwei Männer fliehen vor ihr in die neue Welt …

Trotz intensiven „Fahndungsdrucks“ gelingt es Whalley und Goffe, sich einzuschiffen und von England in die neue Welt, in die gerade erst besiedelten nordamerikanischen Kolonien zu fliehen. Frau und Kinder müssen beide allerdings zurücklassen. In Boston, wo die beiden nordamerikanischen Boden betreten, werden sie zunächst freudig empfangen, sind doch die meisten der Siedler Puritaner wie sie und stolz, solch hochrangige Vertreter der von ihnen befürworteten Republik bei sich zu wissen und zu verstecken. Allein, nicht nur Puritaner, auch Royalisten siedeln in dieser neuen Welt, und so dauert es für damalige Verhältnisse nicht lange (nämlich nur eineinhalb Jahre) bis ihr Häscher Nayler in der alten Heimat vom Aufenthaltsort der beiden Wind bekommt und sich nun selbst nach Boston einschifft.

… und eine beispiellose Menschenjagd beginnt.

Kaum in Boston angekommen, stellt Nayler eine ihm mehr oder weniger loyal ergebene, vor allem aber durch Geld motivierte Jagdgesellschaft zusammen und beginnt eine Hatz auf die beiden „Königsmörder“ die – mit Unterbrechungen – nicht weniger als 15 Jahre dauern soll. Immer wieder gelingt es den beiden mithilfe von unterschiedlichen Protagonisten der puritanischen Kolonialgemeinschaft, darunter religiöse Eiferer ebenso wie gutmütige Siedler und eiskalt berechnende Politiker, ihren Häschern zu entkommen. Allein: Der Preis dafür ist grausam hoch. Die Jäger treiben Schwiegervater und -sohn nicht nur immer tiefer in die noch kaum erforschte Wildnis Nordamerikas, sondern auch in teils jahrelange Isolation in diversen Verstecken, die sie allenfalls bei Nacht hin und wieder einmal verlassen können, stets mit der Gefahr im Nacken, dass ein Verräter ihren Aufenthaltsort an die Royalisten verrät. Beide leiden extrem unter der Einsamkeit und der Trennung von ihren Familien, und nur ihr unerschütterlicher Glaube an den Plan ihres Gottes gibt ihnen Halt, wenn auch Whalley, den Älteren, gegen Ende seines Lebens, in dem er seine Familie nicht mehr wiedersehen soll, erhebliche Zweifel an der vermeintlich göttlichen Fügung beschleichen.

Geschichtsstunde und Abenteuerroman

Im Vorwort lässt der Autor uns wissen, dass er die Ereignisse so genau wie möglich aus den – spärlichen – Quellen nachgezeichnet und lediglich die Figur des William Nayler erfunden hat. Dies allerdings beschert dem Buch gewisse Längen und nimmt ihm die teils atemlose Spannung, die wir aus manch anderem Werk dieses Autors kennen. Lesenswert ist das Buch dennoch: Ein Teil Lederstrumpf und zwei Teile Geschichtsstunde, entführt es uns in eine Welt, von der die meisten wohl nur wenig wissen, und führt uns die Fährnisse der frühen Neuzeit vor Augen, in der Amerika von England weiter entfernt war als für uns heute der Mond von der Erde und in der deshalb schon ein simpler Brief oft mehr als ein Jahr brauchte, um den Empfänger zu erreichen.

Interessant auch die vielen Figuren der puritanisch geprägten Kolonialisten, denen die beiden Helden begegnen. All diese Personen gab es wirklich und viele von Ihnen sind religiöse Eiferer, um nicht zu sagen Spinner reinsten Wassers. Und doch sind sie zugleich die Gründerväter der heutigen Vereinigten Staaten. Durch dieses Brennglas betrachtet erklärt sich vielleicht manches, was wir Europäer an diesem Land bis heute nicht verstehen. Damals wie heute gilt: Religiose Verblendung, gleich welcher Art, führt unausweichlich zu menschlichen wie politischen Tragödien.

Fazit

Lesenswert für jeden, der eine unterhaltsame Geschichtsstunde zu schätzen weiß und damit leben kann, dass die Spannung des reinen Abenteuerromans dabei hier und da ein bisschen unter die Räder kommt.

Act of Oblivion

Robert Harris, Penguin

Act of Oblivion

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