Sonnenaufgang mit Giraffen

  • Piper
  • Erschienen: Juni 2023
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Sonnenaufgang mit Giraffen
Sonnenaufgang mit Giraffen
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Nicole Goersch
901001

Histo-Couch Rezension vonNov 2023

Roadtrip-Abenteuer mit ungewöhnlichen Mitreisenden.

Woodrow Wilson Nickel, kurz Woody Nickel genannt, lebt im biblischen Alter von einhundertfünf Jahren in einem Altenheim, als ihn die Erinnerung an sein größtes Abenteuer des Lebens überkommt. Der Start war alles andere als günstig. Gerade einmal siebzehnjährig verliert er zwei Mal kurz hintereinander seine Existenzgrundlage: erst muss er aus Texas vor den verheerenden Staubstürmen fliehen, die die Farm seiner Familie zerstören, dann fegt ein Hurrikan den Bootsschuppen seines Cousins Cuz weg, bei dem er in New York untergekommen war.

Aber nicht nur Woody wird von dem Hurrikan durcheinandergewirbelt, auch das Schiff, das zwei Giraffen nach Amerika bringt, übersteht nur in äußerster Not das Naturspektakel. Zwar überleben die Tiere, aber eines ist verletzt und es besteht die Sorge, dass es die Fahrt in einem umgebauten Lastwagen in den Zoo nach San Diego nicht überleben wird. Durch eine Verkettung (un-)glücklicher Zufälle wird Woody der Fahrer dieses kuriosen Gespanns und begibt sich auf einen Roadtrip, der nicht nur für ihn lebensverändernd werden wird.

Verschiedene Erzähl- und Zeitebenen

Die Fahrt der Giraffen quer durch die USA hat es 1938 tatsächlich gegeben. Organisiert wurde dies von Belle Benchley, auch „Zoo Lady“ genannt, die als erste Frau Direktorin eines Zoos wurde. Im Internet finden sich einige verblüffende Fotos des ungewöhnlichen Transports.

Die Erzählebene ist Woody vorbehalten, der im hohen Alter nun seine Geschichte mit den Giraffen erzählen möchte. Aufgrund eines Fernsehberichtes, in dem es heißt, dass Giraffen vom Aussterben bedroht seien, erinnert er sich an sein Abenteuer. Zwischen diesen beiden Zeitebenen – Woody als alter Erzähler und Woody als junger Fahrer – wechselt die Geschichte hin und her, wobei letzterem mehr Raum zugesprochen wird.

Die Sprache ist teilweise recht schnoddrig, aber den Umständen durchaus angepasst. Der Erzählstil weiß zu fesseln, auch wenn die Geschichte erst braucht, um in Fahrt zu kommen, denn es passiert nicht allzu viel Aufregendes, bis sich die Handlung entwickelt. Die Unterbrechungen der verschiedenen Zeitebenen sind teilweise sehr amüsant, wenn Woody schreiben möchte, aber von den Pflegern gestört wird.

Die Geschichte plätschert dahin, ist aber keineswegs langweilig, sondern erzählt in einer ruhigen Art von dem Roadtrip Woody Nickels, dessen geringe Bildung und Unkenntnis man merkt, die aber nicht unsympathisch ist. Beispielsweise freut er sich unbändig über neue Kleidung, obwohl sie nichts Besonderes ist. Er weiß aber ihren Wert zu schätzen.

Historie Amerikas im Kleinformat

Die Atmosphäre der damaligen Zeit ist gut eingefangen. Wie war es, damals auf der Straße unterwegs gen Westen zu sein? Heutzutage kann man sich kaum noch vorstellen, dass es keine Straßenschilder oder nur wenige große Straßen gab, auf denen man fahren konnte. Navigationssysteme? Fehlanzeige!

Für Woody ist vieles neu und erstmalig wie zum Beispiel die Berge, als sie mit dem Transport in die Blue Ridge Mountains kommen. Der Lesende kann sich dennoch gut in seine Situation hineinversetzen und den Weg mit ihm gemeinsam begehen, auch wenn einiges fremd oder ungewöhnlich anmutet, was heutzutage selbstverständlich ist.

Die Geschichte Woodys wird geschickt in die amerikanische Historie eingebunden, so dass man beispielsweise nebenher noch lernt, dass Roosevelt nach der Weltwirtschaftskrise Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen etablierte oder viele Menschen nach Kalifornien ziehen wollten, um der Armut in Oklahoma oder Texas zu entgehen, aber an den Grenzen von der Polizei aufgehalten wurden und sich in Camps zusammenrotteten.

Kleine Alltagsgeschichten wirken teilweise märchenhaft, und man fiebert mit, wenn sich eine neue Schwierigkeit für die Giraffen und ihre Menschen auftut. Ganz stark sind dabei die Beschreibungen der Figuren, die allein durch Spitznamen und von Woody beobachtende Merkmale Kontur erhalten.

Fazit

Lynda Rutledge hat in ihrem Roman „Sonnenaufgang mit Giraffen“ eine ehrliche und ungeschönte Geschichte mit allen guten wie schlechten Konsequenzen, die Handlungen hervorbringen können, erzählt. Ihre Charaktere, auch die Giraffen, hinterlassen auch nach der Lektüre Spuren.

Sonnenaufgang mit Giraffen

Lynda Rutledge, Piper

Sonnenaufgang mit Giraffen

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