Der König und der Uhrmacher
- Lübbe
- Erschienen: Mai 2024
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Etwas von sich selbst in einer Geschichte finden.
Arnaldur Indriðason historischer Roman dreht sich um die Familiengeschichte des Uhrmachers Jón Sívertsen. Seine Eltern wurden unschuldig unter König Friedrichs V. zum Tode verurteilt. Jahre später wird die schmerzhafte Vergangenheit durch den Fund einer zerstörten astronomischen Uhr im Schloss Christiansborg wieder lebendig. Diese Uhr bildet den Rahmen für Jóns Geschichte, die er nach und nach König Christian VII. von Dänemark, König Friedrichs Sohn, erzählt.
Symbolische Reparatur
Jón Sívertsen wird ursprünglich wegen einer anderen defekten Uhr in den Königspalast gerufen. Dort entdeckt er die etwa zweihundertjährige Uhr des Schweizers Habrecht, die beschädigt und vernachlässigt im Lagerraum steht. Mit Erlaubnis eines Wachmanns beginnt Jón die Uhr zu reparieren. Hingebungsvoll widmet er sich dieser gewaltigen Aufgabe. Eines Abends taucht König Christian VII. im Lager auf. Er beginnt sich für Jóns Arbeit und dessen Lebensgeschichte zu interessieren. Durch die Gespräche erfährt der König von den Auswirkungen des isländischen Gesetzes Stóridómur. Dieses Gesetz, das moralische Vergehen mit äußerster Härte bestrafte, kostete auch Jóns Vater das Leben. Auf Befehl von König Friedrich V. wurde er damals verurteilt und hingerichtet.
„Ich weiß nur, dass es oft ein schweres Los war, Isländer zu sein, und ich bezweifle, dass sich jemand freiwillig dafür entscheiden würde.“
Es scheint, dass die Erzählungen dem König sehr nahe gehen. Mehr als einmal verlässt er aufgebracht den Lagerraum. Das erregt Aufsehen im Schloss und bald bekommt Jón wieder Besuch. Diesmal jedoch mit der Anweisung, die Geschichten aus Island zu unterlassen.
Bildhaft und eindrucksvoll
Arnaldur Indriðasons Roman ist ein Wechselspiel zwischen dem harten und entbehrungsreichen Leben in Island und dem königlichen Schloss in Dänemark. Wie der Autor einleitend betont, handelt es sich um eine fiktive Geschichte. Die Verknüpfung mit historischen Details macht sie jedoch zu einer bildhaften und eindrucksvollen Erzählung. Erst gegen Ende des Romans wird klar, warum sich König Christian VII. so aufregt und warum ihm Jóns Geschichte so zu Herzen geht.
„Der König stand lange schweigend vor den Einzelteilen der Uhr, in seinen hohen Reitstiefeln und mit der Gerte in der Hand, etwas aus dem Gleichgewicht, vielleicht wie das dänische Reich insgesamt.“
Die Geschichte ist sehr unterhaltsam und gibt einen besonderen Einblick in die isländische Lebensweise. Dabei ist der Erzählfluss unaufgeregt und doch spannend. Immer wieder wechselt Indriðason zwischen der Vergangenheit in Island und der Gegenwart im dänischen Kopenhagen. Das macht sich auch sprachlich bemerkbar. Die Erzählungen über Island sind einfach, direkt und lebensnah. Die Handlung auf Schloss Christiansborg wirkt luftiger, leichter und unterstreicht den größtenteils fiktiven Teil.
Nebenbei erfährt man viel über die astronomische Uhr, dem Meisterwerk des Schweizer Uhrmachers Habrecht. Alles zusammen ergibt eine eindrucksvolle Geschichte über das Leben in Island im 18. Jahrhundert.
Fazit
Arnaldur Indriðason zeigt eine beeindruckende sprachliche Ausdruckskraft. Einzigartig, wie er Orte beschreibt und Figuren zum Leben erweckt. Dabei liefert das isländische Gesetz Stóridómur den Ausgangspunkt für seinen Roman. Die beiden Geschichten, die an unterschiedlichen Orten spielen, verbinden sich zu einem einzigartigen Ganzen. Ein perfektes Zusammenspiel von Fiktion und Geschichte.
Arnaldur Indriðason, Lübbe
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