Die Leuchttürme der Stevensons
- Lübbe
- Erschienen: August 2024
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Von einem, der lieber Dichter sein wollte als Ingenieur.
Schottland, 1869. Robert Louis Stevensons ist der Spross einer Dynastie von Ingenieuren, die entlang der schottischen Küste zahlreiche Leuchttürme konstruiert und gebaut haben und immer noch an wichtigen Stellen neue Leuchttürme errichten. Auch Louis, wie er genannt wird, soll in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten und so reist er als Student mit seinem Vater durch Schottland, um Baustellen zu inspizieren und das Handwerk vor Ort kennenzulernen.
Louis ist bemüht, die hohen Erwartungen seines Vaters zu erfüllen, würde aber viel lieber Schriftsteller werden, Geschichten und Gedichte verfassen und steht so zwischen den Stühlen. Sein Ingenieursstudium plätschert so dahin, als er Kurse bei Professor Fleeming Jenkin nimmt, den er auch privat kennenlernt und der eine Theatergruppe leitet, zu der Louis eingeladen wird. Ergibt sich hier eine Möglichkeit, seine Träume doch wahr werden zu lassen? Auf Inspektionsreisen riskiert Louis sein Leben für einen Beruf, den er nicht ergreifen möchte, doch wird er so glücklich werden?
Jugendzeit von Robert Louis Stevenson
Die Autorin Sabine Weiss hat sich mit „Die Leuchttürme der Stevensons“ der bislang wenig beleuchteten Jugendzeit des Schriftstellers Robert Louis Stevenson angenommen. Dessen Vorfahren waren alle Ingenieure von Leuchttürmen, die heute noch Leben retten, und da lag es nahe, dass auch Louis, als einziger Sohn seines Vaters Thomas Stevenson, diese Laufbahn einschlagen soll. Louis hat Schwierigkeiten, sich für die Leidenschaft seiner Vorväter zu begeistern und schwänzt die eine oder andere Stunde seines Studiums. Sein strenger Vater ist stets darauf bedacht, ihn mit Zahlen und Fakten zu füttern und hält nicht viel von Müßiggang oder anderen Dingen, die vom Beruf oder vom Studium ablenken.
Und Louis lässt sich gerne ablenken, liegt ihm doch das Ingenieursstudium gar nicht. Doch immer wieder fährt er mit seinem Vater, oder in dessen Auftrag, auf Inspektionsreisen zu den Baustellen neuer Leuchttürme oder zu bereits fertigen Leuchttürmen. Dort lernt er die oft widrigen Bedingungen vor Ort kennen, unter denen die Leuchttürme gebaut werden. In diesen Reisen liegt auch die Stärke des Romans der Autorin. Hier erfährt man auch als Leser/in von den Schwierigkeiten, unter denen die Leuchttürme gebaut werden. Zunächst muss der richtige Platz gefunden werden, dann braucht der Turm ein sicheres Fundament, das den Stürmen und Gezeiten der Nordsee standhalten kann. Oft sind hierfür gefährliche Tauchgänge vonnöten, die bei Wind und Wetter stattfinden. Mit einem Schiff muss das Material angelandet werden, zuvor wird der Leuchtturm bei den Stevensons einmal sicher auf dem Trockenen aufgebaut, dann wieder abgebaut und vor Ort neu errichtet. Viele Dinge sind zu beachten, und die Arbeiter riskieren täglich ihr Leben, um die Türme zur Sicherung von Schiffen zu bauen.
Eindrucksvolle Schilderungen
All das nötigt Louis Respekt vor dem Beruf ab, er kann sich auch mehr und mehr in die Tätigkeiten hineindenken, doch merkt er gleichzeitig, wie groß der Druck auf den Konstrukteuren lastet, und er ist sich nicht sicher, ob er diesem Druck gewachsen ist. Hinzu kommt eine gesundheitlich vage Konstitution, die er von seiner Mutter geerbt hat und die ihn das eine oder andere Mal zu größeren Pausen zwingt, freilich nicht ohne neue Rechenaufgaben des Vaters.
Der Autorin gelingt es, die Situation in Edinburgh und an den schottischen Küsten packend zu beschreiben und versetzt den Leser so in das spätviktorianische Schottland, mit seinem schlechten Wetter, den Niederungen der schottischen Gesellschaft, den Studenten und den leichteren Häusern, wo bekannte Damen ihr Geld verdienen, aber auch mit der Universität von Edinburgh, dem Studentenleben und diversen Schneeballschlachten, die es sogar bis in die Tageszeitung geschafft haben. So schafft sie ein authentisches Bild, das, wie im Nachwort nachzulesen ist, mit zahlreichen realen Situationen gespickt ist.
Ein paar Längen
Allerdings lässt sich bei aller Authentizität nicht verschweigen, dass der Roman auch die eine oder andere Länge enthält, besonders wenn Louis wieder durch die nächtlichen Straßen Edinburghs streift und sich fragt, wie er seinem Vater beibringen soll, dass er kein Ingenieur werden möchte, sondern lieber ein Dichter und Erzähler. Dabei sieht er sich noch nicht einmal an einem Punkt, so gut zu sein, dass er damit tatsächlich Geld verdienen kann. Das wird von der Autorin eindrucksvoll geschildert, aber dann vielleicht doch zu oft.
Der gut 450-seitige Roman aus dem Lübbe Verlag wartet mit einer Karte Schottlands mit seinen Leuchttürmen in den Klappen auf, einem 11-seitiges Nachwort, einem kurzen Abriss der Stevenson-Ingenieure und einem Glossar. Der Roman ist ein interessanter Einstieg in das Leben und Werk von Robert Louis Stevenson, wobei sich sein weiterer Werdegang noch nicht wirklich erahnen lässt. Gäbe es das letzte Kapitel nicht, wüsste man als unwissender Leser nicht, wohin die Reise einmal gehen wird.
Fazit
„Die Leuchttürme der Stevensons“ von Sabine Weiss ist ein interessanter Einblick in die Jugendzeit von Robert Louis Stevenson, dessen Vorfahren alle Ingenieure von Leuchttürmen entlang der schottischen Küste waren und in deren Fußstapfen er auch treten sollte. Eindrucksvoll wird von Möglichkeiten und Schwierigkeiten beim Leuchtturmbau berichtet und dabei Zeit und Biografie Stevensons gekonnt mit eingewoben, wenn auch mit einigen Längen. Interessant und ungewöhnlich.
Sabine Weiß, Lübbe
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