Die Rebellion der Mystikerin
- Acabus
- Erschienen: April 2024
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Eindrückliche weltliche Darstellung einer Ordensgründerin.
Spanien, im 16. Jahrhundert. Teresa ist ein lebensfrohes Mädchen, mit 11 Geschwistern und einem streitbaren, aber guten und bedachten Vater. Während die Brüder ihren Weg wahrscheinlich Richtung neue Welt machen werden und Teresas Schwestern wohl gut unter die Haube kommen, ist die Frage, was aus Teresa wird. Mit 16 Jahren wird sie zur weiteren Erziehung in ein Kloster gebracht, muss dieses nach schwerer Krankheit aber nach eineinhalb Jahren wieder verlassen. Zur Genesung kommt sie zu einem Bruder ihres Vaters und lernt dort als vielseitig interessierte Leserin die Briefe des Kirchenvaters Hieronymus kennen, die sie in ihrem Willen bestärken, den Weg ins Kloster zu gehen.
Gegen den Willen ihres Vaters geht sie im Alter von 20 Jahren ins Kloster und legt zwei Jahre später ihre Ordensprofess ab. Nach einer nahezu dreijährigen lähmenden Krankheit und einer fast wundersamen Genesung findet sie durch innere Einkehr und innerlichen Gesprächen mit dem Heiland ihren Frieden und ihren Lebenswillen wieder und beschließt nach einer „Höllenvision“ im Jahr 1560 die Gründung eines eigenen Klosters, da ihr die Regeln in ihrem jetzigen Konvent nicht streng genug sind. Gegen unzählige Gegner erhält sie die päpstlichen Segen und auch die Erlaubnis, weitere Klöster zu gründen. Sie wird eine berühmte Frau, die man um Rat in Glaubensdingen fragt und die trotz aller Unbill immer eine fröhliche und nahbare Person bleibt. Gemeinsam mit ihrer Mitschwestern widersetzt sie sich Inquisition, Reformation und allen weiteren Widrigkeiten. Sie wird nach ihrem Tod Spaniens Schutzpatronin.
Klostergründungen mit Schwierigkeiten
Thomas Hohn hat mit seinem Roman „Die Rebellion der Mystikerin“ der bereits 1622, also 30 Jahre nach ihrem Tod, heiliggesprochenen Teresa von Avila ein literarisches Denkmal gesetzt. So hat er sie und ihr Leben einer breiten Öffentlichkeit außerhalb Spaniens bekannt gemacht. Dabei beginnt er mit seiner Erzählung zu einer Zeit, als ihr Vater bereits zum zweiten Mal verheiratet ist und sie und ihre zahlreichen Geschwister das Elternhaus nach und nach verlassen. Hohn erzählt das Leben Teresas auf eine sehr menschliche Art und Weise, wie er überhaupt den Menschen in den Vordergrund stellt und nicht zu sehr die religiöse Person.
Dabei stützt er sich in seiner Erzählung auf zahlreiche Zeitzeugnisse, vor allem auch auf Teresas eigene Schriften, darunter ihre eigene Lebensbeschreibung und zahlreiche erhaltene Briefe. Einige Dialoge und Zitate sind sogar wörtlich überliefert und von Hohn eingebaut worden. So entsteht ein authentisches Bild Teresas, die als eigentlich fröhliche junge Frau mit durchaus lebendigen, weltlichen Gedanken daherkommt und der auch die Liebe zum anderen Geschlecht nichts Abstoßendes bedeutet. Im Gegenteil, sie propagiert die Liebe unter den Menschen, wenngleich sie sich für ein Leben in einem Orden entscheidet.
Menschliche Darstellung von mystischen Erfahrungen
Mit ihrem ursprünglichen Orden unglücklich, gründet sie nach langer Krankheit den Orden der „Unbeschuhten“. Dieser unterscheidet sich von anderen Orden durch die inneren Gebete, die sie jederzeit halten kann und in denen sie mit dem „König“ spricht. Gemeint ist Jesus Christus, der sie auf ihrem Weg leitet und dem sie sorgenfrei folgen kann. Diese spirituelle Art vermittelt sie ihren Mitschwestern und auch interessierten männlichen Geistlichen, die Teresa bald als Vorbild sehen, da auch sie die spirituelle Einkehr in sich selbst schätzen lernen. Auch wenn dies nicht allen gelingt, so ist doch wie so oft der Weg das Ziel und Teresa trotz und auch aufgrund ihrer Lebens- und Leidensgeschichte eine Mystikerin, die für ihren Glauben und ihre Mitschwestern ohne zu zögern Bürden auf sich nimmt.
Thomas Hohn zeigt Teresa als Kämpferin für ihre Überzeugungen und ihren Glauben, und welche Steine ihr auch immer in den Weg gelegt werden, sie findet einen Weg. Das alles wird nicht übertrieben vergeistigt erzählt, sondern durchaus weltlich und mit einer gehörigen Portion Humor, der Teresa auch ausgezeichnet hat. So besteht zu keiner Zeit in dem Roman die „Gefahr“, hier ein strenges Lehrbuch über Teresa in Händen zu halten. Hohns Weg über den Menschen Teresa zu ihrem Glauben, ihrem Orden und ihrem Weg zur Schutzpatronin Spaniens ist ein unterhaltsamer und bisweilen sogar spannender, der den geneigten Leser durchaus an die Lektüre zu fesseln mag. Nebenbei lernt man auch einiges über die Geschichte Spaniens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, leicht lesbar und verständlich aufbereitet, stets unterhaltsam und niemals vergeistigt und langweilig.
Neben Teresa beschreibt Hohn auch ihre Mitschwestern und andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter nachvollziehbar und holt seine Leserschaft mühelos in Zeit und Region ab. Das rund 500-seitige Hardcover aus dem Acabus-Verlag bietet zudem im vorderen Einband eine historische Ansicht von Avila und im hinteren Einband eine Landkarte Spaniens mit den Orten, wo Teresa neue Klöster gegründet hat. Das unbedingt zu lesende Nachwort bietet erstaunliche Fakten, die der Autor in seinen Roman eingearbeitet hat. In jedem Fall weckt der Roman das Interesse an Teresas Person und man möchte sich näher mit ihrer Geschichte beschäftigen.
Fazit
„Die Rebellion der Mystikerin“ ist ein gut und flüssig zu lesender Lebensroman über Teresa von Avila, die als Ordensgründerin und Mystikerin (im Sinne von jemandem, der Erfahrungen mit der geistigen Wirklichkeit hat oder anstrebt) nach ihrem Tod die Nationalheilige Spaniens wurde. Der Autor nähert sich ihr als Mensch, der trotz aller umfangreichen Leiden trotzdem immer fröhlich und für jeden da ist. Ein Mensch, der alle Leiden für seinen Glauben auf sich nimmt, ohne dabei allzu vergeistigt zu sein. Diese Mischung macht den Roman nicht nur für eine religionsinteressierte Leserschaft interessant. Lesenswert.
Thomas Hohn, Acabus
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