Eine leise Ahnung von Glück
- Federherz
- Erschienen: Februar 2024
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Ungewöhnliche Familiengeschichte.
Frankreich, 1940: Carole lebt in einem Dorf bei Amiens und erlebt die Eroberung der deutschen Wehrmachtssoldaten hautnah mit. Während ihr Vater als Bürgermeister kollaboriert, nähert Carole sich ihrer Nachbarin Madama Pirotte an, die heimlich die Reden Charles de Gaulle im Radio hört. Dennoch kann Carole es nicht verhindern, dass der bei ihnen einquartierte deutsche Soldat Manfred sich immer mehr in ihr Herz schleicht. Die Lage verkompliziert sich, als Carole schwanger ist und Manfred an die Ostfront versetzt wird.
Düsseldorf, 2023: Louisa kümmert sich seit dem Tod ihrer Mutter um ihren Vater, mit dem es aber immer wieder zu Differenzen kommt. So auch an seinem Geburtstag, an dem sie außerdem erfährt, dass er adoptiert wurde. Während ihr Vater jegliche Fragen abblockt, ist Louisa neugierig und beginnt nachzuforschen. Was sie zutage fördert, überrascht nicht nur sie.
Viel Lokalkolorit
Die Autorin Kerstin Lange hat den Roman aus doppelter Perspektive geschrieben. Zum einen begleiten wir Carole durch die schwere Besatzungszeit in den 1940er Jahren in Frankreich, zum anderen verfolgen wir Louisas erfolglose Versuche, sich ihrem Vater 2023 in Düsseldorf anzunähern. Ihre beiden Lebensgeschichten verknüpfen sich langsam. Zwar weiß man den Zusammenhang recht bald, allerdings überrascht die Lebensgeschichte dann doch, zumal es meistens eher der Fall ist, dass die Mutter bekannt und der Vater unbekannt ist anstatt – wie hier – umgekehrt.
Ein besonderes Schmankerl gibt es für Düsseldorfer, denn Louisa und ihre Familie wohnen dort, so dass unter anderem der Vater über die Fußballmannschaft Fortuna diskutiert und Louisa ihre Tante im Café Heinemann trifft. Das erhöht den Lesespaßfaktor noch einmal.
Die Erzählweise ist ruhig und unaufgeregt, am Anfang sogar etwas schleppend, bis sich die Geschichte entfaltet. Dann aber entwickelt sie einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann, so dass man das Buch kaum zur Seite legen kann und es sich als Pageturner entpuppt.
Die Geschichte der deutsch-französischen Kriegskinder ist traurig und unvorstellbar. Anhand der hier erzählten Familiengeschichte ist sie anschaulich dargestellt.
Schwierige Charakteränderung
Louisa hat kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater, die zwischenzeitlichen rührigen Momente sind gut nachzuvollziehen, da sie es sich wünscht, eine positive und engere Beziehung zu ihm zu haben, die nicht auf ein gleichgültiges Brummen aufgebaut ist. Dass dies Zeit braucht und die Entwicklung langsam voranschreitet, auch mit Rückschlägen, in denen Louisa erkennt, dass ihr Vater nicht das einzige Problem ist, sondern auch sie viel falsch macht, hat die Autorin gut eingefangen.
Ebenso ist das Gefühlschaos bei Carole realistisch dargestellt, wie beispielsweise auf Seite 174:
„Sie sah seine blauen Augen, die so freundlich in die Welt blickten, seine Lippen, die viel zu voll für einen Mann waren, und über die gerade noch so einfühlsame Worte gekommen waren. Dann wanderte ihr Blick tiefer, sie sah die Uniform, und der Krieg, der für einen Moment verschwunden war, erstand in aller Brutalität wieder auf.“
Dass Carole sich Manfred nicht direkt „an den Hals wirft“, ist unter diesen Umständen vollkommen nachvollziehbar.
Man erfährt darüber hinaus sehr viel über die Charaktere. In kurzen Episoden erzählt Kerstin Lange die Lebensgeschichte der einzelnen Personen, die sich gut in die Hauptgeschichte einfügen und sehr bereichernd wirken. So gewinnt man ein umfassendes Bild von den Protagonisten und ihren Hintergründen.
Fazit
Kerstin Lange fängt die Historie über die deutsch-französischen Kriegskinder wunderbar ein, indem sie die Geschichte aus zweifacher Blickweise erzählt.
Kerstin Lange, Federherz
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