Der Salon der kühnen Frauen
- Aufbau
- Erschienen: August 2024
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Ein brillant erzählter Roman über das Leben der Frauen am Hof des Sonnenkönigs und die Macht der Geschichten.
Clare Pollard nimmt die Lesenden mit nach Versailles zur Zeit von Louis XIV., dem „Sonnenkönig“ und zeigt die Schattenseiten dieser Welt – besonders für Frauen. Der Salon der kühnen Frauen ist eine Wiedererzählung von tatsächlich veröffentlichten, bekannten und weniger bekannten Märchen des 17. Jahrhunderts, kunstvoll arrangiert und verflochten, sodass sich entlang der Erzählung dieser Märchen selbst ein zarter Erzählstrang entspinnt.
Von Liebe, Leid und Literatur
Während das einfache Volk hungert und friert, hat auch die glamouröse Maske des Versailler Hofs Risse bekommen. Moralische Dekadenz, Missgunst und Zensur tragen zu einer angespannten gesellschaftlichen Stimmung bei. In diesem Setting beginnt sich eine Gruppe adliger Frauen (und weniger, ausgewählter Männer) zu treffen, um sich gegenseitig Märchen zu erzählen.
In einer Zeit, in der häufig schon die Geburt als weibliches Wesen für die Eltern eine Enttäuschung darstellte, entsprach das Aufkommen dieser literarischen Salons einer Emanzipation, blieb Frauen der Weg an die Universitäten des Landes doch verwehrt. Im Normallfall waren sie Objekt patriarchaler Unterdrückung. Frühe Verheiratung wurde nicht selten als politisches Instrument zum Zweck der familiären Absicherung genutzt. Geschichten von Standeszugehörigkeit, Geschlechterrollen und Tugend dominierten auch die Literatur dieser Zeit und manifestierten diese gesellschaftliche Ordnung. Sie hatten aber auch die Kraft, sie zu verändern. Dieses subversive Element legt Clare Pollard in ihrem Märchen-Roman meisterhaft frei.
Die Macht der Geschichten
Die Märchen in Der Salon der kühnen Frauen können Zuflucht sein, Trost spenden – und plötzlich umgeschrieben werden, modernisierte Wendungen nehmen. Ihre Moral wird im Verlauf des Romans mehrfach infrage gestellt, ja herausgefordert. Die Märchen bieten aber auch Deutungsraum zwischen den Zeilen, ist das Gesagte doch nicht immer das Gemeinte, sondern steht sinnbildlich für eine grausame Lebensrealität, die unter dem Puder der Maskierung versteckt ist, über die nicht offen gesprochen werden kann, die aber immer wieder durchschimmert. Spitzzüngig triumphieren die Erzählerinnen so über ihren leidvollen Alltag.
Das Vortragen der Geschichten wird zur Möglichkeit, dem engen Korsett aus gesellschaftlichen Regeln und Hofetikette zu entkommen, der Salon wird zum geschützten Raum, der fragile Momente der Freiheit bieten kann. Dies ist jedoch eine Gratwanderung, dürfen sich die Erzählenden doch in einer von Intrigen, Neid und Missgunst getränkten Atmosphäre nicht angreifbar zu machen: Kunst oder Hochverrat – die Grenzen sind fließend.
Clare Pollard erzählt von Sehnsucht und Enttäuschung, von Momenten der Zuneigung und Intrigen aus Missgunst. Man hat das Gefühl, von der Erzählerin mitgenommen zu werden, in den erlesenen Kreis der Romanfiguren, das Geschehen hautnah mitzuerleben. Immer wieder folgen wir anderen Romanfiguren durch ihren Alltag und ihre Gefühlswelt – um dann immer wieder den Blick auf das große Ganze zu erhalten. Dieses Spiel mit einer allwissenden Erzählhaltung ist großartig gelungen und entwickelt eine sogartige Wirkung.
Fazit
Der Salon der kühnen Frauen ist ein Roman der Nuancen: Ein feministischer Geschichtsroman der leisen Töne über die Bemächtigung der eigenen Lebensgeschichte. Ein reizvolles Spiel der Wiedererzählung und Neuordnung von Märchen. Ein in zarter Sprache verfasster Roman, voller Deutungsebenen und gelungener Beobachtungen. In erster Linie aber faszinierende Lektüre und ein großes Lesevergnügen!
Clare Pollard, Aufbau
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