Der Herzschlag der Toten

  • Goldmann
  • Erschienen: Oktober 2024
  • 1
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Monika Wenger
851001

Histo-Couch Rezension vonJan 2025

Das Funktionieren von Hierarchien ist fundamental.

In einem alten, heruntergekommenen Kontor wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Der frisch beförderte Commissaire Hermann Rieker will seinen ersten eigenen Fall zügig zu lösen und stürzt sich in die Ermittlungen. Doch der Mörder ist nicht leicht zu finden. Erst die Identifizierung durch die Tochter des Hamburger Richters Ahrens bringt erste Hinweise. Doch was hat sie mit der Toten zu tun?

Eine eigenwillige junge Frau und ein frischgebackener Commissaire

Johanna Ahrens weiss sehr wohl, dass sie ein privilegiertes Leben führt. Als Tochter eines Richters kennt sie viele Annehmlichkeiten. Dennoch ist sie sozial engagiert und setzt auf Bildung armer Frauen. Aus diesem Grund hat sie heimlich eine Schule für diese Frauen eröffnet und übernimmt die Kosten.

«All ihren Schülerinnen gemein war der Wunsch, dem Leben eine neue Richtung zu geben und Sicherheit zu gewinnen. Der Schlüssel dafür lag in der Bildung, davon war Johanna überzeugt. Bildung gab den Frauen Mittel in die Hand, ihr Leben selbstbestimmter zu führen – schwierig in einer Zeit, in der man entweder als Tochter dem Vater oder als Ehefrau dem Mann zu willenlosem Gehorsam verpflichtet war.»

Natürlich wissen ihre Schülerinnen nicht, wer Johanna wirklich ist. Als eine von ihnen ermordet aufgefunden wird, ist es Johanna ein Anliegen, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie ermittelt auf eigene Faust und legt sich mit dem jungen Commissaire Hermann Rieker an. Für ihn ist es der erste Fall als Ermittler und er steht unter Zeitdruck. Wenn er den Fall nicht bis nach dem Wochenende gelöst hat, übernimmt sein Rivale Breiden. Riekers Beförderung ist nicht unumstritten; ein Scheitern käme vielen gelegen. Deshalb geht Rieker auf Johannas Bitte ein und lässt sie die Tote identifizieren. Dies ist der Beginn einer eher unkonventionellen Zusammenarbeit, denn Johanna ermittelt quasi im Schatten von Hermann Rieker weiter.

Atmosphärisch und sprachlich gelungen

Der Schreibstil von Ralf H. Dorweiler schafft eine besondere Atmosphäre, in die man gerne eintaucht. In diesem historischen Kriminalroman überzeugen die Charaktere wie auch die Handlung. Ausserdem wird die Kaiserzeit in Hamburg lebendig und gesellschaftliche Aspekte kommen zum Tragen. Standesunterschiede und die damit verbundenen Privilegien bestimmter Kreise spielen eine grosse Rolle. Johanna ist sich ihrer Stellung als Tochter eines Hamburger Richters innerhalb dieser Gesellschaftsordnung sehr wohl bewusst. Dennoch setzt sie sich unter grossem persönlichem Risiko für die Frauen im Gängeviertel ein. Ebenso interessant und bildhaft hat Dorweiler die Figur des Hermann Rieker ausgearbeitet; ein junger Mann aus der Unterschicht, der sich nach oben gearbeitet hat und den Standesdünkel sehr deutlich zu spüren bekommt.

Eine weitere Rolle kommt dem Totenfotografen zu. Dorweiler erzählt anschaulich von dieser für uns etwas befremdlichen Arbeit. Wie der Autor anmerkt, hatten die Menschen im 19. Jahrhundert ein anderes Verhältnis zu Tod und Sterben.

Besonders schön sind die Beschreibungen der Hansestadt Hamburg ausgefallen. Die prächtigen Villen, der Bau des Rathauses, das Gängeviertel und das entstehende Hafenviertel mit der geplanten Speicherstadt. Man fühlt sich sofort in die Zeit und an den Ort versetzt.

«Da gab es in und um Hamburg eine Menge zu tun, insbesondere in Vorbereitung der Schaffung des Freihafens in Hamburg, der den Senat, die Bürgerschaft und alle Kaufleute seit ein paar Jahren beschäftigte. Johanna konnte sich an kein Fest erinnern, an dem die Herren nicht über den Zollanschluss, den Freihafen und den Bau der Speicherstadt parliert hätten.»

So wie die Beschreibungen Hamburgs faszinieren, so gefällt auch die angepasste Sprachwahl. Neben französischen Begriffen finden sich auch die eigene Sprache Hamburgs und Formulierungen der Oberschicht. All dies verleiht dem Roman ein besonderes Flair. Ralf H. Dorweiler gelingt es, die Spannung durchgehend hoch zu halten. Dafür sorgen unter anderem überraschende Wendungen, falsche Fährten und persönliche Befindlichkeiten.

Fazit

Ein atmosphärischer und spannender historischer Krimi. Die Protagonisten überzeugen und ergänzen die Handlung mit Charme und Charisma. Das Ende ist sowohl interessant als auch raffiniert. Es macht neugierig auf einen weiteren Fall für Johanna Ahrens und Hermann Rieker. Eine bemerkenswerte Geschichte.

Der Herzschlag der Toten

Ralf H. Dorweiler, Goldmann

Der Herzschlag der Toten

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