Das versteinerte Herz
- Penguin
- Erschienen: April 2024
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Aus der Bahn geworfen.
Sansibar, 1980: Salim führt bis zu seinem siebten Lebensjahr ein zufriedenes Leben mit seinen Eltern in Ostafrika. Das ändert sich, als sein Vater unerwartet die Familie verlässt. Für Salim werfen sich viele Fragen auf, die ihm zunächst für viele Jahre unbeantwortet bleiben.
„Das Leben ist eine Bürde, die wir alle tragen müssen.“
Der ostafrikanische Schriftsteller Abdulrazak Gurnah beschreibt in seinem Roman „Das versteinerte Herz“ die Geschichte seines Heimatlandes, damals das Sultanat Sansibar, heute tansanisches Staatsgebiet. In einer ruhigen, klaren Sprache reflektiert er die Historie des Landes am Schicksal der Familie Masud Yahya und deren Sohn Salim in den 1960er Jahren bis zur Jahrtausendwende. Hierzu hat er das Buch in zwei Strängen aufgebaut.
Ein Strang erzählt den Werdegang Salims. Der zweite Strang verbindet geschickt die Entwicklung des Landes mit dem Lebensweg von Salims Eltern.
Untermauert mit biographischen Elementen, vermittelt der Autor ein umfassendes Bild über die Zeit des britischen Protektorats und dessen postkoloniale Folgen für die Bevölkerung. Authentisch erzählt, bekommen die Leser/Innen einen Einblick über die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in dem Land.
Nachdem die Kolonialherrschaft 1963 ihr Ende fand, schöpfte die Bevölkerung Mut für einen Neubeginn. Aber mit der bald darauffolgenden Sansibar–Revolution wurden ihre Hoffnungen schnell zunichte gemacht. Tradition und Werte der Bevölkerung wurden zugunsten der Interessen der neuen Machthaber zusehends missachtet. Unterschiedliche religiöse Überzeugungen, Respektlosigkeit gegenüber Frauen, Angst und Schrecken vor den neuen Befehlshabern waren an der Tagesordnung. Besonderes Augenmerk richtet der Autor auf das Ansehen der Frauen. Während in der Tradition der Bevölkerung ein Gleichgewicht zwischen der Autorität des Mannes und der Frau bestand, verloren die Frauen zunehmend ihre Respektstellung und unabhängige Autorität. Das bekommt auch die Familie Yahya auf tragische Weise zu spüren.
Salim wird orientierungslos und melancholisch. Sein Onkel Amir, ein erfolgreicher, sehr selbstgerechter Mensch, holt ihn zu sich nach England. Er will Salim eine gute Schulbildung ermöglichen. Salim schöpft neue Hoffnungen. Doch bald gerät er wieder in einen Strudel von Selbstzweifel und Unsicherheiten. Das ändert sich, als ein unerwartetes Ereignis ihn aus seiner ziellosen Lebensführung herausreißt.
Abdulrazak Gurnah wurde 1948 im ehemaligen Sultanat Sansibar, heute Sansibar, geboren.1967 emigrierte er nach Großbritannien. Dort studierte er englische Literaturwissenschaften mit anschließender Promotion. Der Schriftsteller gilt als einer der bekanntesten Vertreter der ostafrikanischen Literatur. 2021 wurde er für seinen Roman „Das verlorene Paradies“ mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Heute lebt er in Canterbury, Kent.
Fazit
Abdulrazak Gurnah ist mit „Das versteinerte Herz“ ein kluger und fesselnder Roman gelungen. Mit intensiven Einblicken in den kolonialen und postkolonialen Alltag der Bevölkerung auf Sansibar bekommen die Leserinnen und der Leser einen nachhaltigen Eindruck über das dunkle Kapitel der Kolonialgeschichte und deren Folgen.
Abdulrazak Gurnah, Penguin
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