Die Komponistin von Köln

  • Emons
  • Erschienen: Mai 2024
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonAug 2024

Ungewöhnliche Romanbiografie mit Schwäche.

Köln, um 1900: Maria Bing wächst als Tochter einer jüdischen Textilhändlerfamilie wohlbehütet auf und bekommt schon früh Klavierunterricht. 1901 heiratet sie mit 23 Jahren den Chemiker Albert Herz, mit dem sie wegen seines Berufes nach Bradford in England auswandert, wo sie vier Kinder zur Welt bringt. Als die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind, spielt sie wieder mehr Klavier und beginnt mit dem Komponieren.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, befindet sich sie mit der Familie gerade wieder in Köln auf Besuch, und sie können nicht mehr zurück nach England. Eine komplizierte Zeit beginnt, die Kinder werden als Engländer angesehen, Marias Mann Albert wird in die Armee eingezogen, und auch Marias Geschwister bekommen immer mehr Probleme. Als sich nach dem Krieg die Lage beruhigt und die Familie sich wieder sortiert, stirbt Albert 1920 unerwartet und Maria muss die Musik zunächst wieder hinten anstellen. Doch sie kämpft sich durch, und mit jedem Recht, das die Frauen in der Gesellschaft mehr erstreiten, wächst auch ihre Kraft, durch ihre Kompositionen einen Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen.

Wie man Komponistin wird

Hanka Meves hat mit ihrem Debütroman die Lebensgeschichte einer starken Frau wieder zum Leben erweckt, die es ihr merklich angetan hat. Wie im Nachwort zu lesen ist, hat die Autorin Kontakt zu den Nachfahren von Maria Herz aufgenommen und intensiv ihr Leben recherchiert. Sie erzählt das Leben von Maria – im Roman stets Mariechen genannt – aus der Sicht ihrer fiktiven Freundin Franziska (Franzi) Beyer, beide gleichaltrig und quasi zusammen aufgewachsen, daher beste Freundinnen, die sich alles erzählen und alles voneinander wissen.

Das geht über die jeweiligen Familien, den Schulweg, die Zukunftsträume, die ersten Schwärme und natürlich die ersten vorsichtigen musikalischen Schritte. Aus Franzis Sicht nimmt man am Leben Mariechens teil, und wenn es einmal nichts über Mariechen zu erzählen gibt, dann wird die Zeit und deren gesellschaftliche Ansichten in den Vordergrund gerückt. Das ist insofern interessant, als dass im Hintergrund immer das Thema der Rechte der Frauen mitschwingt – erst dürfen sie nicht studieren, dann doch, können Ärztin oder Pharmazeutin werden oder, wenn sie unverheiratet bleiben, auch Lehrerin. Diesen Weg wird Franzi einschlagen, doch Mariechens Herz schlägt für die Musik.

Interessanter Blick auf die Biografie

Steht Mariechens Karriere zunächst der berufliche Aufstieg ihres Mannes im Weg, so ziehen sie nach England und sind erst einmal weit weg. Durch intensiven Briefaustausch bleiben beide in Verbindung, besuchen sich auch oft und so wird man Zeuge eines Lebens, in dem das eigentliche Wunschziel, die Musik, das eine ums andere Mal hintangestellt werden muss. Eine eigene Musikerkarriere kommt für Mariechen bald nicht mehr infrage, aber zum Komponieren kommt sie gelegentlich, nimmt Unterricht bei namhaften Lehrern, auch wenn eine weibliche Komponistin ungewohnt ist und erste Kompositionen noch unter Pseudonym aufgeführt werden.

Die Autorin macht durch den Blick aus anderen Augen einiges richtig, so hat man eine gewisse Distanz und kann das Leben Mariechens auch gerade in dieser Zeit richtig einordnen, gerade auch wenn es in den Ersten Weltkrieg und in die Nachkriegszeit geht. Und doch bleibt man ihr, trotz der Nähe, auch immer fern. Das liegt an der protokollartigen Erzähltechnik, die die Autorin gewählt hat und durch die man durch viele Ereignisse nur so durchrast.

Viel zu viele Details schlucken die Wirkung

Die Autorin hat versucht, ihr gesamtes Wissen über Maria Herz in einen knapp 280-seitigen Roman zu pressen, und an vielen Stellen hätte man sich gewünscht, sie hätte sich für die Situation mehr Zeit genommen. Doch leider werden viele Themen angesprochen, und bevor es ins Detail geht, ist man schon wieder weiter. Die Autorin nimmt sich selbst die Energie, alle Anläufe in emotionale Tiefgänge verlaufen ins Leere. Das fällt zu Beginn noch nicht so sehr auf, wird aber zur Methode, und so bekommen Schicksalsschläge im Krieg dieselbe Bedeutung wie ein Kindergeburtstag, ein Konzertbesuch, ein Museumsbesuch, eine Geburt, ein Todesfall, die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Zudem wäre es nicht nötig gewesen, der fiktiven Freundin eine ebenso detaillierte Familiengeschichte angedeihen zu lassen, auch dies geht auf Kosten der Erzählung der eigentlichen Zielperson.

Zwischendurch belegt die Autorin ihr Wissen mit Briefpassagen und genauen Daten, und man bekommt immer mehr das Gefühl, dass hier weniger viel mehr gewesen wäre. Es muss nicht jeder Besuch in England erwähnt werden, zumal wenn dort nichts Relevantes geschieht. Auch wenn sich hier die Recherchen der Autorin aufs Genaueste widerspiegeln, wirkt der Roman letztlich dadurch emotionslos und das Leben von Maria Herz protokollartig durchgehetzt.

Dennoch bleibt ein interessanter Blick auf das Bild der Frau, ihre Möglichkeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit Erzählungen aus erster Hand, die einen schönen Einblick in die Zeit geben.

Fazit

„Die Komponistin von Köln“ erzählt als Debütroman von Hanka Meves die Geschichte einer Frau, die als Musikerin einen für die damalige Zeit mehr als ungewöhnlichen Beruf ergreift, aber dennoch ihren Weg geht. Die historisch gut eingefangene Zeit und die passende Stimmung verdecken jedoch nicht die erzählerischen Schwächen des Romans. Ohne spürbaren Tiefgang hetzt die Autorin durch die Biografie und nimmt sich selbst oft den emotionalen Wind aus den Segeln. Schade, hier wäre weniger Detail mehr Geschichte gewesen.

Die Komponistin von Köln

Hanka Meves, Emons

Die Komponistin von Köln

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