Die Schwarzgeherin

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: September 2024
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Monika Wenger
951001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2024

Wenn es als Frau nur die Option gibt, frei oder ein Teil der Gemeinschaft zu sein.

Theres lebt mit ihrem Vater auf dem Lachermeyer Hof in einem kleinen Seitental in Tirol. Als das Mädchen neun Jahre alt ist, sterben ihr grosser Bruder und ihre schwangere Mutter. Ein Schicksalsschlag, von dem sich der Vater sein ganzes Leben lang nicht mehr erholt. Er wird schweigsam und verschlossen. Theres ist auf sich allein gestellt und lernt schnell, ihre Gefühle zu verbergen.

«Soviel war da zwischen ihnen, dem Vater und der Tochter, vereint durch das gleiche Leid, entzweit von ebendiesem. So viel gäbe es zu sagen, doch auf der ganzen Welt nicht die richtigen Worte dafür.»

Ein Fremder bringt Unruhe

Ihre Kindheit verbringt Theres mit ihrem Bruder und dem Leopold vom Xantner Hof. Auch nach dem Tod des Bruders verbringt Theres viel Zeit mit dem Jugendfreund. Es ist eine Freundschaft, wie man sie selten findet. Mittlerweile ist Theres achtzehn Jahre alt. Sobald sie kann, will sie weg. Weg aus der Enge des Tals, wo jeder jeden kennt und beobachtet. Weg von den Regeln, den Traditionen und der von Männern dominierten Gemeinschaft. Für die Väter ist es jedoch eine seit langem beschlossene Sache, dass die Theres und der Leopold heiraten werden. Als Theres’ Vater drängt und die Verlobung bekannt geben will, weiss die junge Frau mit Bestimmtheit, dass sie eigentlich nur eines will: Ihre Freiheit.

“Für Kinder gab es keine Freiheit. Für Frauen auch nicht, das wusste das Mädchen. Und sie merkte sich, mit brennender Wange und brennendem Herzen, dass sie es irgendwann, wenn sie wirklich frei sein wollte, halten musste wie die Mina. Dass sie das, was ihr wichtig war, nur schützen konnte, indem sie es gut vor allen anderen verstecken würde.”

Grosse Beklemmung macht sich in ihr breit, wenn sie daran denkt, wie sie als Bäuerin auf dem Xantner Hof unter der Fuchtel ihrer zukünftigen Schwiegermutter leben wird. Diese ist mit den Heiratsplänen der Männer ganz und gar nicht einverstanden. Am liebsten hätte sie die Tochter des Schultheissen zur Schwiegertochter. Aber Leopold kämpft mit allen Mitteln für Theres. Und das macht ihr noch mehr Angst, weil sie weiss, dass er sie wirklich von ganzem Herzen liebt.

Bei der Bekanntgabe der Verlobung erscheint ein Fremder. Niemand kennt ihn, niemand weiss, was ihn in diese Abgeschiedenheit verschlagen hat. Plötzlich ist er einfach da, der Xaver Kargl und mit ihm gerät die wohlgeordnete und überschaubare Welt der Bergler aus den Fugen.

Die Vergangenheit lässt sich nicht verleugnen

Der Roman beginnt in einer kleinen Hütte, in der eine junge schwangere Frau einem Fremden die Geschichte der Schwarzgeherin erzählt. Der Fremde lässt sich alles bis ins kleinste Detail erzählen. Theres’ Kindheit, ihr hartes Leben, ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihr Rückzug in die Einsamkeit, weg vom Dorf. Ganz allein zieht sie ihre Tochter gross. Als Heilerin und Hebamme hat sie sich einen Namen gemacht, wird aber von der Dorfgemeinschaft sofort verurteilt, wenn sie einen Schuldigen braucht. Jahre vergehen, in denen manch einer dennoch froh ist, um die Heilkünste der Schwarzgeherin. Inzwischen ist die Tochter Maria im heiratsfähigen Alter und hat sich ausgerechnet in den Sohn von Leopold Xantner verliebt. Es scheint, als ob es das Schicksal immer noch nicht gut mit Theres meint.

Die Geschichte lebt von der nüchternen Sprache

Es ist die Sprache, die diesen eher düsteren und melancholischen Roman zu etwas Besonderem macht. Man spürt die Härte der Natur und der Menschen nur allzu deutlich. Der tägliche Überlebenskampf, in dem nicht nur die Enge des Tals das Leben bestimmt, wird greifbar. Werte, Glauben und Traditionen prägen diese Gemeinschaft, wo sonst nichts ist in dieser Bergwelt. Und es ist genau diese Atmosphäre, die die Autorin Regina Denk so eindringlich zu beschreiben versteht. Zu Beginn des Romans lässt sie eine junge Frau einem Fremden die Geschichte der Schwarzgeherin erzählen. Regina Denk nutzt verschiedene Zeitebenen und wechselt die Perspektive zwischen Theres und ihrer Tochter Maria. Langsam entsteht so die Lebens- und Leidensgeschichte der beiden Frauen. Warum sich der Fremde so für das Leben von Theres interessiert, wird bald einmal klar, doch die unerwartete Wendung am Ende sorgt für eine gelungene Überraschung.  

Fazit

Ein ganz besonderer Roman, der nicht nur durch seine rationale Sprache beeindruckt. Es ist auch die Geschichte selbst, die mit Atmosphäre und einzigartigen Charakteren überzeugt und die spannend erzählt wird. Ein unvergleichliches Lesevergnügen.

Die Schwarzgeherin

Regina Denk, Droemer-Knaur

Die Schwarzgeherin

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