Im Schatten des Imperiums

  • Piper
  • Erschienen: Mai 2024
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Im Schatten des Imperiums
Im Schatten des Imperiums
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Alexander Krist
401001

Histo-Couch Rezension vonNov 2024

Hochamt der Stilblüte.

231-233 n. Chr.: Der achtzehnjährige romanisierte Germane Marcus Aurelius kommt nach Augusta Vindelicum (Augsburg), um bei seinem reichen Onkel Titus zum Kaufmann ausgebildet zu werden. Adalmar, ein versklavter alamannischer Fürstensohn, trifft Berovist, den treuen Heerführer seines getöteten Vaters, und kann mit seiner Hilfe über den Limes entkommen, um die germanischen Stämme zum Rachekrieg gegen Rom zu formieren. Marcus verliebt sich unterdessen in die Sklavin Lumina, die plötzlich verschwindet. In der Hoffnung, sie wiederzufinden, lässt er sich vom zwielichtigen stellvertretenden Statthalter für eine geheime Mission anheuern und gerät zwischen die Fronten.

In der Zwischenzeit ist sein Bruder Tatius als römischer Soldat nach Mesopotamien versetzt worden, wo Kaiser Severus Alexander den Persern gegenübersteht...

Großer Entwurf...

Der Limes und das Leben beiderseits der römisch-germanischen Grenze - ein faszinierendes Sujet, das erstaunlich selten belletristisch behandelt wird. Der Autor geht nach einem zähen ersten Drittel in die Vollen: Liebe, Krieg, Verrat, Kampfszenen auch jenseits des physikalisch Plausiblen und einige sehr unwahrscheinliche und daher unvorhersehbare Wendungen. Lobenswert, dass als Motiv der Germaneninvasion nicht allein private Rachegelüste, sondern auch die Not durch die spätantike Klimaverschlechterung angedeutet wird. Die mesopotamische Parallelhandlung schlägt den Bogen von der Krise der Provinz zur Krise des Imperiums.

Ein ehrgeiziges, groß angelegtes Werk also, dem offensichtlich mindestens ein weiterer Band folgen soll.

... und schwache Umsetzung

Massive Sachfehler, überholte Germanen-Klischees, unpassendes Vokabular wie "Kanu" und "Assassine", eine trotz Antikriegsbotschaft etwas zu aufdringliche Bewunderung für "charismatische" militärische Anführer, absurde Logiklöcher, groteske Brutalität, theaterhafte Monologe, ein leicht dümmlicher Protagonist - das alles wäre zu verschmerzen. Woran der Roman aber von der ersten bis zur letzten Seite krankt, ist ein erschütternder Mangel an Sprachgefühl: "Marcus pumpte das notwendige Adrenalin, das alle bestehenden Hemmungen ausschaltete, in seinen Kreislauf." Dieses langatmige Etwas wäre schon in einem Gegenwartsroman kein guter Satz - vor dem inneren Auge steht der Held mit der Fußpumpe an der Luftmatratze. Überhaupt kommt "Adrenalin (pumpen)" definitiv zu oft vor, ebenso wie "Charisma", "zum Geier" und "schmeißen" - letzteres nicht nur für "werfen", sondern auch für "hinlegen". Und ein Pferd, das "vor Anstrengung prusten" muss?

Der gleichzeitig gestelzte und vulgäre Stil voller Redundanz taumelt zwischen Schlachthof und Poesiealbum: "Nur ein schneller Blick zur Seite hielt ihn davon ab, direkt vor den aufgespießten Kopf zu kotzen." Zwei Seiten später: "Liebe fragt nicht. Sie taucht plötzlich und unerwartet auf mit Macht und ohne Vorurteile. Hast du das nie erfahren?"

Gleichfalls enervierend die Unsitte, Figuren mit vollem Namen zu nennen, auch, wenn dies zum Verständnis nicht nötig oder in Dialogen sogar unsinnig ist - welcher Vater nennt im Gespräch mit seinem Sohn seinen anderen Sohn mit Vor- und Nachnamen? Dazu kommen Grammatikfehler, Wortschöpfungen wie "herumhausen" und Kauderwelsch-Latein: Lumina etwa bedeutet nicht "die Strahlende", sondern "die Lichter". Auf mehreren Ebenen befremdlich, wenn Marcus sein Pferd Luminus ("der Lichter") tauft...

Inkonsequenzen bei der Schreibweise (Centurio, aber Zenturie) verstärken den Eindruck, hier sei versehentlich ein Rohentwurf in Druck gegangen.

Schlechtes Handwerk

Hanebüchen auch die Dramaturgie. Beispiel: Adalmar, Sklave in der Finanzverwaltung, trifft zufällig Berovist. Die Beiden können ungestört mehrere Sätze wechseln, verabreden, sich abends in der örtlichen Herberge zu treffen und sich verabschieden, ehe dem Erzähler einfällt, dass Adalmar einen Offizier zum Aufpasser hat, "der nie von seiner Seite wich, (er) beobachtete ihn ungeniert den ganzen Tag." Daher die Verabredung in der als Bordell dienenden Herberge, denn der ungenierte Römer ist "ein Paradebeispiel für Verklemmtheit" (ein Wort, das man in einem Antike-Roman nicht oft findet) und wird ihm zwar ins Gebäude folgen, dann aber Abstand halten. Wozu ein Aufpasser, dessen Wachsamkeit behauptet, aber sofort widerlegt wird? Und dass Adalmar, der zu einem "bürokratischen römischen Verwalter" ausgebildet wurde, durch die Begegnung mit Berovist schlagartig zum charismatischen Strategen mutiert, ist mit "germanischen Instinkte(n)" nicht allzu überzeugend begründet.

Fazit

Der Plot ist nicht so einfältig, wie er anfangs wirkt, und in der zweiten Hälfte wird es sogar spannend und teilweise psychologisch glaubwürdig. Ein Autor, der Sprache und Handwerk beherrscht, hätte aus der Idee durchaus einen guten Roman machen können. Stattdessen ist es ein Hochamt der Stilblüte geworden.

Im Schatten des Imperiums

Jens Wittenberger, Piper

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