Der letzte Schildwall
- Rowohlt
- Erschienen: Oktober 2024
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Cornwell als Meister der Kurzgeschichten, kulinarisch angereichert.
Bernard Cornwell hat mit seiner dreizehnteiligen Reihe der Sachsen-Saga, auch bekannt unter dem Namen der Verfilmung „Das letzte Königreich“, die Entstehungsgeschichte Englands erzählt, wie es sich König Alfred erträumt hat und wie es, wenn auch erst unter Alfreds Enkel König Æthelstan, schließlich wahr geworden ist. Cornwells Hauptfigur ist dabei Uhtred von Bebbanburg, der an der Seite Alfreds und dessen Nachkommen gekämpft hat, um eben dieses Ziel zu erreichen. Nach dreizehn Romanen ist er ein geachteter älterer Herr mit eigener Burg und zahllosen Siegen, der viel Blut vergossen hat und sich nun zur Ruhe gesetzt hat.
Drei Kurzgeschichten mit alten Bekannten
Cornwells Buch „Der letzte Schildwall“ ist eine schöne Ergänzung zur Reihe. Sie enthält nicht nur drei Kurzgeschichten über Uhtred, sondern auch zahlreiche Rezepte aus der Wikingerzeit, die zum Nachkochen auffordern, natürlich mit den Mitteln und Zutaten der damaligen Zeit. Nachdem Cornwell die Köchin Suzanne Pollak kennengelernt hatte, die sich auf historische Kochkunst spezialisiert hat, war die Idee zu diesem Buch geboren, und es juckt schon in den Fingern, das eine oder andere Rezept einmal auszuprobieren.
Die drei Kurzgeschichten umranden historisch die Rezepte und die dreizehn Romane. Die erste Geschichte heißt „Der erste Sieg“, in der Uhtred, noch ein Junge unter den Fittichen seines Vaters, seinen ersten Zweikampf bestreitet und hier vielleicht nicht seine Muskeln entscheidend sind, sondern vielmehr sein Verstand, und beides wird sich danach zur Freude von König und Vaterland bis zur Berühmtheit ausbilden.
In der zweiten Geschichte, „Das Gottesgeschenk“, bekommt Uhtred Besuch von einem Ordensbruder namens Fricca, der den Auftrag hat, Beweise für eine Heiligsprechung König Alfreds zu sammeln, doch Uhtred kannte Alfred besser und sieht nichts an ihm, was eine Heiligsprechung rechtfertigen würde. Wenn da nicht diese eine Situation gewesen wäre, in der möglicherweise doch etwas nicht mit verständlichen Dingen zuging…
Die dritte Geschichte heißt wie der Buchtitel „Der letzte Schildwall“, und hier bekommt Uhtred im hohen Alter Besuch von einigen Fischern, die berichten, dass Ihr Dorf, das zum Einzugsbereich von Uhtred gehört, von Sikka, einem Friesen, überfallen wurde und Frauen und Kinder verschleppt und als Sklaven verkauft werden sollen. Das lässt sich ein Uhtred von Bebbanburg natürlich nicht bieten, und so fährt er, wenn auch in Unterzahl, aber mit besser ausgestatteten und trainierten Männern wie seinen ewigen Freunden Finnan und Egil, mit zwei Schiffen nach Friesland, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Interessante Kochtipps und Informationen zur Nahrung
Jeder der drei Kurzgeschichten sind wenigstens 50 Seiten historischer Rezepte vorangestellt, mit Zutatenlisten und genauen Vorgehensweisen. Dabei sind die drei Rezeptblöcke auch thematisch unterteilt in „Heimat“ (Rezepte für den einfachen Mann), „Land und Wasser“ (Rezepte für die höhergestellten Menschen) und „Vorrat“, wo man tatsächlich lernt, wie man welche Nahrung haltbar macht, um damit über den Winter zu kommen. Die Rezepte sind alle verständlich und für jedermann leicht nachzukochen formuliert, vieles hat man daheim bereits in der Küche oder man muss eben noch etwas Ale kaufen, um das Rezept auszuprobieren. Hinzu kommen noch interessante Tipps und Informationen wie die, dass man zwar Olivenöl kannte, das aber teuer war und eher in den Küchen des Adels als beim einfachen Volk benutzt wurde, oder dass man Petersilie vermeiden sollte, denn die Angelsachsen hielten sie für einen „giften Flirt mit dem Teufel“.
Die Kurzgeschichten sind allesamt aus Uhtreds Ich-Perspektive geschrieben, wie die Romane auch, und in jeder dieser drei Geschichten läuft Cornwell wieder zu gewohnter Hochform auf. Der Erzählstil ist brillant, die Art und Weise, wie er den Plot seiner Geschichten aufbaut ist sehr geschickt und fesselt den Leser an die Lektüre, der trockene Humor zum Thema Dänen gegen Christen wie gewohnt amüsant und die Inhalte der Geschichten leider viel zu kurz, aber interessant und eine nette Umrahmung und Ergänzung seiner Romanreihe, auch wenn das Essen in den drei Geschichten eigentlich keine Rolle spielt. Leider hat das Buch nur 370 Seiten, wovon ein gutes Drittel auf die Rezepte fällt, aber es bietet gute Unterhaltung, und wenn man sich in die Rezepte einliest, kann diese Unterhaltung auch noch länger andauern, zumal wenn man sie ausprobiert.
Hinweis: König Alfred wurde nie offiziell heiliggesprochen, wenngleich allenthalben hoch verehrt.
Fazit
„Der letzte Schildwall“ ist eine Sammlung von drei Kurzgeschichten und unzähligen Rezepten aus der Wikingerzeit, dem eine kurze Abhandlung Cornwells über die Geschichte Englands, also quasi ein (sehr) kurzer Abriss über die Geschichte seiner Romanreihe vorangestellt ist. Die Geschichten bieten die gewohnt hohe erzählerische Qualität Cornwells und man fühlt sich sofort wieder in die Romanreihe versetzt. Leider sind es zu wenige und diese viel zu kurz. Gerne würde man noch mehr von Uhtred von Bebbanburg und seinen Kumpanen lesen. Vielleicht gibt es irgendwann weitere kleine Appetithäppchen.
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Suzanne Pollak, Bernard Cornwell, Rowohlt
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