Der Pfaffenkönig

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  • Erschienen: Januar 2006
  • 4
  • , 2006, Titel: 'Der Pfaffenkönig', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonJun 2006

Mittelalterliche Ränkespiele

Dass auch lange vor Martin Luther auf der Wartburg in Thüringen einiges los war, beweist der Roman von Iris Kammerer, in dem sich um das Jahr 1227 herum geschichtsträchtige Dinge abspielen.

Heinrich Raspe wächst zusammen mit zwei Brüdern, einer Schwester und einem weiteren Mädchen namens Elisabeth auf. Er ist der mittlere der Brüder, daher wird sein älterer Bruder Ludwig einst Landgraf über Thüringen werden, so wie es die Erbfolge vorsieht. Jahre später sind Ludwig und Elisabeth verheiratet und haben einen kleinen Sohn, Herrmann. Als Ludwig stirbt, müsste normalerweise Herrmann neuer Landgraf werden. Da dieser aber erst drei Jahre alt ist, übernimmt Heinrich bis dahin seine Ämter. Elisabeth hingegen schwört allem Weltlichen ab, verkauft ihre Güter und zieht in ein Kloster, von wo aus sie den Armen und Kranken hilft. Das ist Heinrich ein Dorn im Auge, denn einerseits wirft es ein seltsames Licht auf die Familie, andererseits hatte er selbst ein Auge auf seine Schwägerin geworfen, in der Hoffnung, sie selbst zum Altar führen zu können.

Schwierigkeiten in der Familie

Immer wieder gerät Heinrich in die Kritik von Fürsten und Geistlichen, weil er seine Schwägerin nicht im Griff hat und sich auf der Nase herumtanzen lässt. Dazu kommen Ränkespiele der Kirche. Zudem hat Heinrich selbst noch keine Ehefrau und daher noch keinen eigenen Erben. Sein jüngerer Bruder Konrad ist auch der Kirche zugetan und daher von dieser Seite auch kein Nachkomme in Sicht.

Als Elisabeth schließlich stirbt, wird sie sehr bald von der Bevölkerung als Heilige verehrt, und so macht sie noch aus dem Grab Heinrich das Leben schwer und sorgt auch so dafür, dass andere Landesfürsten mit anderen Augen nach Thüringen schauen. Und auch die Kirche scheint immer wieder ihr Spiel mit Heinrich und seiner Familie zu spielen.

Komplizierte Machtgefüge

In ihrem Roman beschreibt Iris Kammerer ein kompliziertes Gefüge von Macht, in dem Fürsten und die Kirche gegeneinander und miteinander kämpfen, das gefüllt ist von Ränke und Kriegen, und in dem die Familie einen zentralen Punkt darstellt - wenn man denn eine hat. Wirkliches Glück hat Heinrich nie, er wird dreimal heiraten, und seine erste Frau wird ebenfalls Elisabeth heißen, ihm aber keinen Nachkommen schenken. Seine zweite Frau wird seine große Liebe sein, aber auch sie wird kein Kind bekommen. Seine Frauen kommen alle aus Familien, mit denen es nicht schaden kann, durch Ehen verbunden zu sein. Die Liebe steht gegen die Macht, und beide können nicht gewinnen. Iris Kammerer hat sich ein schweres und beinahe undurchschaubares Thema für ihren Roman ausgesucht.

Undurchschaubares Personenwirrwarr

Leider gelingt es ihr dann über die Gesamtlänge des Buches auch nicht, die komplizierten Machtverhältnisse innerhalb der Geschehnisse für den Leser nachvollziehbar zu entwirren. Wie sie selbst im Nachwort sagt, ist es auch dadurch etwas unübersichtlich, dass einige Personen den gleichen Namen haben. Oft fragt man sich, welcher der Konrads oder Heinrichs oder Herrmanns da nun gerade gemeint ist. Eine Liste der vorkommenden Charaktere wäre am Anfang oder am Ende des Buches sinnvoll gewesen, wird sogar teilweise schmerzlich vermisst.

Hinzu kommt, dass man sich in diesem Wirrwarr heutzutage nicht mehr in der adligen Hierarchie auskennt. Wie steht ein Landgraf zu einem Markgraf oder wie ist die Hierarchie der Könige untereinander in Bezug auf den Kaiser, wer hat wo das sagen und wer glaubt es zu haben, wer ist Freund, wer ist Feind? Für Kenner der Zeit mag das alles klar sein, der normale Leser wird hier gänzlich überfordert.

Verschachtelung zweier Erzählebenen

Auch die Erzählweise vereinfacht dem Leser das Geschehen nicht. Zwei zeitlich verschiedene Ebenen werden ineinander verschachtelt, ohne dass es zunächst ersichtlich ist, das es zum Einen überhaupt so ist, zum Anderen ist nur Herrmann in beiden Erzählebenen vorhanden, so dass man leicht denken kann, es handele sich um zwei verschiedene Personen. Erst nach zwei Dritteln des Romans kann man von selbst darauf kommen, dass es sich um dieselbe Person handelt, aber das ist leider viel zu spät. Hinterher ist man immer schlauer, aber anfangs hilft es einem nicht. Dabei sind die Historie und das Leben im 13. Jahrhundert durchaus ansprechend und lebendig erzählt, es gerät aber leider zu oft in den Hintergrund, weil man nicht genau weiß, wo oder wann man gerade ist.

Das Ende ist leider sehr grob erzählt. Da das Buch quasi Heinrichs Familiengeschichte verfolgt, ist gerade der letzte Aspekt des Aussterbens des Familienzweigs interessant, doch der wird leider fast unwichtig und die Hälfte davon sogar erst im Nachwort erzählt. Hier hätte man sich ausnahmsweise ein paar Seiten mehr gewünscht, in dem das Geschehen beziehungsweise das Ende ausführlicher erzählt worden wäre. Manchmal wäre mehr eben doch mehr.

Der Pfaffenkönig

Iris Kammerer, -

Der Pfaffenkönig

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