Troja
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- Erschienen: Januar 1997
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- , 1997, Titel: 'Troja', Originalausgabe
Ein entzauberter Mythos
Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß, wie einst Paris, Sohn des Priamos, die schöne Helena, Gattin des Menelaos, entführte und nach Troja brachte. Dort wurde die Stadt durch die Griechen belagert und mit Hilfe der List des berühmten Holzpferdes schließlich erobert. Wer diese Geschichte in Gisbert Haefs Roman "Troja" erwartet, könnte schwer enttäuscht werden.
Nicht griechische Helden, die wir aus Schulzeiten kennen, sind hier die Hauptpersonen, sondern ein assyrischer Händler namens Awil-Ninurta, der im Mittelmeerraum seine Händel betreibt. Mehr oder weniger durch Zufall und durch Kungelei mit den anderen Geschäftsmännern gerät er überhaupt nach Troja, wo die berühmte Schlacht nur eine Nebenrolle spielt.
Verwirrende Sprache
Von der ersten Seite an schafft es Haefs, im Leser ein unbefriedigtes Gefühl zu wecken, dass er nicht weiß, worum es in diesem Buch überhaupt geht. Haefs' Formulierungen winden sich um sich selbst und oft fragt man sich schon nach der Hälfte des Satzes, wie der Satz überhaupt angefangen hat. Leider ändert sich dieser Stil über die knapp 500 Seiten nicht, so dass man schnell die Lust verlieren kann, sich dieser Sprache überhaupt bis zum Ende auszusetzen.
Haefs stellt sich auf die Seite eines jeden Volkes und bezeichnet so die Orte auch in den verschiedenen Sprachen. Das zeugt von großem Wissen, das dem Leser auch einen gewissen Respekt vor dem Autor abfordert. Dennoch ist es verwirrend, wenn Troja, je nach Sprache, zu Wilusa, Ilios oder Ilion wird und dies unvorbereitet erwähnt wird und das auch immer wieder. Jeder Ort, jeder Landstrich, jeder Name hat mehrere Bezeichnungen und alle werden immer wieder aufgelistet. Das stiftet beim Leser mehr Verwirrung als alles andere. Gerade in den ersten 150 Seiten des Buches treibt Haefs es auf die Spitze und kommt so auch in der eigentlichen Handlung nicht wirklich voran.
Innerhalb dieses Sprachgewirrs eine Handlung zu erkennen, ist sowieso nicht ganz einfach. Haefs verschachtelt drei Erzählebenen ineinander, zum Einen die Hauptebene um Awil-Ninurta, der sich mit alten und neuen bekannten Händlern und seiner Lebensgefährtin Tashmetu auf die Reise macht. Zum Anderen erzählen Odysseus, der Fürst von Ithaka und Korinnos, ein Chronist, die Geschichte aus anderen Perspektiven. Was nicht bedeutet, dass damit das Geschehen für den Leser erhellt würde, im Gegenteil: Der Stil bleibt gleich verwirrend, es kommen nur neue Perspektiven hinzu, die den Lesefluss hemmen und das Ganze noch unübersichtlicher machen.
So beginnt Odysseus´ siebtes Kapitel mit den Worten:
"Denkt euch, ihr Milden, im Hades den Tartaros, dunkelster Abgrund, wo ich als schorfiger Wolf - als Eisenwolf, Rostgrind wie Räude -, schartiger Schatten des Löwen, der ich vor zehntausend Jahren angeblich war, die Rudel der Wölfe aus Schatten und Schande antrieb zum Kampf, zum Männerfraß, zum Frauenzerfetzen. Dort, so haben, wenn es sie gibt, die Götter beschlossen, werden mich Schatten von Schatten, mit Augen wie nächtliche Messer, auf ein Feuerrad binden, mit seinen Speichen verflechten und die brechenden Knochen, wo sie das Fleisch zerreißen, baden in flüssigem Gold und die Glieder mit Nattern umwinden..."
Schwer zu erahnende Handlung
Wortgewaltig ist es, das gesamte Buch, und es weiß den Leser mehr zu verwirren als zu unterhalten. Die Charaktere, von denen es eine Vielzahl gibt, bleiben blass, weil wenig umschrieben. Ungewohnte und immer wieder ähnliche Namen helfen auch nicht bei der Identifizierung. Die sehr fantasievollen Satzverschachtelungen sind beeindruckend, man fragt sich eher, ob der Autor den Satz grammatikalisch korrekt zu Ende bringt, als worum es inhaltlich überhaupt geht.
Die Schlacht um Troja und die politischen Unruhen, die sie letztlich ausgelöst haben, spielen im gesamten Roman eine so untergeordnete Rolle, dass nicht festgestellt werden kann, warum das Buch überhaupt diesen Titel trägt. Immer wieder kommen lediglich Gerüchte zu Ninurta, weder bestätigt noch unbestätigt und das Wissen aus dem Schulunterricht wird nur in Ansätzen wiedererkannt. Die bekannten Personen treten größtenteils noch nicht einmal selber auf und auch die Sache mit dem Pferd ist nicht so leicht wiederzuentdecken.
Nur gegen Ende, wenn der Krieg vorüber ist und mit Madduwattas einer der Drahtzieher des Krieges gestellt wird, da wird die Sprache etwas klarer und eine Art durchformulierte Handlung erkennbar. Zu spät, wenn man es überhaupt als Leser bis dahin schafft. Zwar zeichnet Haefs dem Leser ein interessantes Bild der Zeit, wenn man es denn aus seinen Formulierungen herausfiltern kann, allerdings hilft es einem nicht im Verständnis um den Krieg und die Handlung drum herum. Schade. Hier wurde ein interessantes Thema letztlich verfehlt. Zwar gibt es ausführliche Anhänge, aber letztlich helfen die dem Leser auch nicht weiter. Wer sich wirklich für Troja, den Krieg und die Zeit interessiert, sollte zu einem anderen Buch greifen.
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