Das verborgene Lied

  • Diana
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Diana, 2012, Titel: 'A Half Forgotten Song', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2013

Eine bestechende Mischung aus Gefühl und Spannung

Kurzgefasst:

In einem einsamen Cottage auf den Klippen von Dorset lebt die betagte Dimity Hatcher. Niemand ahnt, mit welcher Tat aus Liebe und Eifersucht sie einst eine ganze Familie zerstörte. Über siebzig Jahre bleibt ihr Geheimnis unentdeckt, bis eines Tages ein junger Mann vor ihrer Tür steht. Zach ist auf der Suche nach seinen Wurzeln, die ihn an die Küste Dorsets führt. Mithilfe der unnahbaren Hannah, Dimitys Nachbarin, kommt er nach und nach der verheerenden Wahrheit auf die Spur, das ihn bis in die 1930er Jahre führt...

 

In ihrem dritten Anlauf läuft die Autorin Katherine Webb zu einer Höchstleistung auf: Mit dem Roman Das verborgene Lied präsentiert sie ein rundum gelungenes Werk. Ins Zentrum ihrer Geschichte stellt die Autorin den jungen Galeristen Zach, glühender Verehrer des längst verstorbenen Malers Charles Aubrey. Zachs Galerie will nicht so richtig florieren. Deshalb will er sich mit einem Buch über sein Idol von den finanziellen Sorgen befreien. Besonders fasziniert ist Zach von Aubreys Zeichnungen, die alle einen jungen Mann - Dennis - zeigen. Bisher ist es niemandem gelungen, herauszufinden, wer Dennis war. Doch dies ist nicht das einzige Geheimnis, das Zach lüften möchte. Im kleinen Küstenort Blacknowle versucht er die Spuren aus dem Jahr 1937 zu verfolgen, als Charles Aubrey mit seiner marokkanischen Geliebten und den beiden gemeinsamen Töchtern einige Sommermonate verbringt. Es gelingt Zach mit Mühe, einige Personen aufzustöbern, die den Maler und dessen Familie tatsächlich gekannt hatten. Da stößt er auf die alte Dimity, die eine ganz besondere Verbindung zu Charles Aubrey gehabt haben will: Sie erzählt Zach, dass Aubrey sie, Dimity, geliebt habe. Je mehr Zach sich mit der Geschichte Aubreys befasst, desto schwerer fällt es ihm, Dimitys Schilderungen damit in Einklang zu bringen. Zumal er selber nicht ganz frei ist in seinen Gedanken - seine Großmutter war eine von "Aubreys Frauen". Und Zach fürchtet, ein direkter Nachfahre Aubreys zu sein.

Gelungene Figurenzeichnung

Katherine Webb erzählt den Lesern eine gleichermaßen phantastische wie auch faszinierende Geschichte. Der glücklose Zach wird schnell zum Inbegriff des eigenen Drangs, seine Abstammung genau zu kennen und zu wissen, aus welcher Familie der Spross hervor gegangen ist. Seine fast schon verbissene Art, herauszufinden, ob seine Großmutter nun ein Kuckuckskind in die Wiege gelegt hat, leuchtet durchaus ein. Zudem schafft er es, sich im Laufe des Romans von einem unspektakulären Loser zu einem überlegt handelnden Mann zu entwickeln. Die Autorin legt dabei das nötige Feingefühl an den Tag, das es braucht, um die Entwicklung glaubhaft bleiben zu lassen. Letztlich ist es aber nicht Zach, der das Buch am meisten prägt - es ist Dimity Hatcher, eine der wenigen Personen, die Zach darüber Auskunft geben könnte, was aus Aubreys Tochter Delphine oder seiner marokkanischen Lebensgefährtin Celeste geworden ist. Dimity ist so facettenreich und schillernd in ihrer Schrulligkeit, dass es keine andere Figur schafft, ihr die zentrale Bedeutung streitig zu machen.

Unerwartete Wendungen

Wer bald glaubt, den ungefähren Verlauf der Geschichte erahnen zu können, wird sich eines Besseren belehren lassen müssen. Immer wieder stellen raffinierte Wendungen den Verlauf in Frage und zwingen den Leser, sich auf eine neue Situation einzustellen und seine Gedanken in eine neue Richtung zu zwingen. Es sind zunächst vor allem die Ereignisse der Vergangenheit, die einem verschlungenen Weg folgen und eine Richtungsänderung nach der anderen fordern. Doch auch der zweite Handlungsstrang, der in der Gegenwart angesiedelt ist, verfolgt einen eigenwilligen Weg, der einige Überraschungen bereit hält. Dass hier auch die aus einem Roman dieser Ausrichtung kaum wegzudenkende Liebesgeschichte angesiedelt ist, mag kaum zu erstaunen. Sie ist zwar von einer eher bescheidenen Strickart, passt sich aber gut in das Gesamtkonzept ein, so dass sie weder zu banal wirkt, noch störend ist.

Historische Elemente passen

Katherine Webb leistet auch hinsichtlich der Historie gute Arbeit. Sie spricht einige Themen an - unter anderem die Freiheit, die sich der Künstler Aubrey nimmt, um seine eigenen Wünsche auszuleben, auch wenn sie auf Kosten seiner Familie gehen. Dann aber sind es auch eindrückliche Bilder eines zerstörerischen Kriegs, die Katherine Webb liefert. So präsentiert sie den Lesern eine Epoche, die sich zwischen dem Hunger nach Leben und Entwicklung und dem stumpfen Dasein im und nach dem Krieg bewegt. Geschickt schlägt sie dabei einen Bogen zur Gegenwart und lässt den einen oder anderen beschämt über seine eigene Menschlichkeit nachdenken.

Ausgezeichnet gelöst

Das Jonglieren mit verschiedenen Zeitebenen und das Spiel von Täuschung und Realität glücken der Autorin in diesem Roman durchs Band weg. Webb überzeugt also nicht nur sprachlich - dass sie erzählen kann, hat sie in den vergangenen Romanen schon bewiesen - sie hat es auch geschafft, jene Kritikpunkte, die ihre bisherigen Romane begleitet haben, weitgehend auszumerzen. Weder untragbare Längen noch ein Bruch in der Abfolge sind auszumachen. So verwöhnt die Autorin ihre Leserschaft mit einem leidenschaftlichen, spannenden und überaus faszinierenden Roman, der viel Potenzial offen legt. Der wohl letztlich fast einzige Kritikpunkt betrifft den nichtssagenden Titel, der weder zum Lesen anreizt, noch ein Zusammenhang mit der Geschichte feststellen lässt.

Das verborgene Lied

Katherine Webb, Diana

Das verborgene Lied

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